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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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Schild hoch. Sofort sprang Hagen ihm auf der Treppe entgegen. Das Nibelungenschwert klirrte auf Dietrîchs Rüstung. Dietrîch begriff Hagens Wut; er verteidigte sich gegen die rasenden Streiche. Er kannte Hagen, und er fürchtete auch Balmunc, die gefährliche Waffe. Aber mitunter schlug er so vorbedacht zurück, daß er Hagen am Ende doch überwand. Er brachte ihm eine große tiefe Wunde bei. ›Du bist erschöpft‹, dachte Dietrîch, ›ich habe wenig Ehre von deinem Tod. Ich will versuchen, ob ich dich nicht zur Geisel machen kann.‹ Das war nicht ungefährlich: Er ließ den Schild fallen und umklammerte Hagen mit riesenstarken Armen. So wurde Hagen überwältigt. Gunther war tiefunglücklich. Dietrîch fesselte Hagen und führte ihn zur Königin; er übergab in ihre Hand den kühnsten Ritter, der je ein Schwert getragen hat. Kriemhilt war glücklich nach all ihrem Leid. Sie verneigte sich vor Freude. »Dein Leben sei voll Glück und Heil zu allen Zeiten. Du hast meine Not aufgewogen. Ich will es dir entgelten, solange ich lebe.« Dietrîch antwortete: »Laßt ihn am Leben. Dann kann es sein, daß er noch alles wiedergutmacht, was er Euch angetan hat. Er soll nicht darunter leiden, daß Ihr ihn gebunden vor Euch seht.« Sie ließ Hagen in seinen Kerker führen. Darin wurde er allein eingeschlossen.
    Gunther rief nach Dietrîch, und Dietrîch trat ihm entgegen. Ihre Schwerter dröhnten gewaltig. So viel Ruhm Dietrîch auch seit langer Zeit erworben hatte, man sagt, es sei ein Wunder gewesen, daß er davonkam. Gunther kämpfte wie ein Rasender, denn Dietrîch war sein Todfeind geworden. Palast und Türme erschallten von ihren Schlägen. Dietrîch überwand Gunther so wie vorher Hagen.Das Blut strömte ihm aus dem Harnisch von Dietrîchs Schlägen, so hatte Gunther sich trotz seiner Ermattung gewehrt. Dietrîch fesselte ihn, wie man Könige nicht binden sollte. Er dachte, wenn er die beiden ungebunden ließe, würden sie jeden töten, der ihnen begegnete. Er nahm ihn und führte ihn zu Kriemhilt. Mit Gunthers Demütigung waren viele von ihren finsteren Gedanken verflogen. Sie sagte: »Willkommen, Gunther von Burgund.« Er antwortete: »Ich würde Euch für den Gruß danken, liebe Schwester, wenn er freundlicher wäre. Ich weiß Euch aber so erbittert, daß Ihr mich und Hagen nur mit Haß grüßt.«
    Dietrîch sagte: »Edle Königin, so vornehme Ritter, wie ich sie Euch übergeben habe, sind noch nie Geiseln gewesen. Laßt sie von meiner Fürsprache Nutzen haben.« Sie sagte, dazu sei sie gern bereit. Dietrîch verließ sie weinend. Nun rächte Kriemhilt sich gräßlich: Sie brachte beide ums Leben. Sie ließ sie getrennt einsperren, um sie zu quälen, so daß sie einander nicht wiedersahen, bis sie den Kopf ihres Bruders zu Hagen trug und an beiden ihre Rache erfüllte.
    Sie ging zu Hagen. Feindselig sagte sie: »Wenn Ihr mir wiedergebt, was Ihr mir gestohlen habt, kommt Ihr vielleicht nach Burgund zurück.« Hagen antwortete: »Dies Angebot hättet Ihr Euch sparen können, edle Königin. Ich habe geschworen, daß ich niemand den Schatz zeige und ihn keinem ausliefere, solange irgendeiner von meinen Herren lebt.«
    »Ich bringe es zu Ende«, sagte Kriemhilt. Sie ließ ihren Bruder töten. Man schlug ihm den Kopf ab, und sie trug ihn an den Haaren zu Hagen. Erschüttert sah er seines Herren Kopf, und er sagte zu Kriemhilt: »Du hast es nun zu Ende gebracht nach deinem Willen, und es ist so gekommen, wie ich es gedacht habe. Der Burgundenkönig ist tot,auch Gîselher, auch Gêrnôt. Niemand als Gott und ich wissen nun, wo der Schatz ist. Dir soll er ewig verborgen bleiben, du Teufelin.«
    »Ihr habt mir schlimm entrichtet, was ich zu fordern hatte«, sagte sie. »Aber Sîfrits Schwert will ich doch behalten. Als ich ihn zum letztenmal sah, hat er es getragen.« Sie zog es aus der Scheide. Er konnte sich nicht wehren. Sie hob es mit beiden Händen und schlug ihm den Kopf ab.
    Etzel war tief bekümmert. »Weh«, sagte er, »eine Frau hat den besten Ritter getötet, der je im Sturm gekämpft und den Schild getragen hat! So feind ich ihm war, es tut mir leid.« Hildebrant sagte: »Sie soll keine Freude daran haben, daß sie ihn erschlug, was mir auch zustoßen mag. Er hat mich in Lebensgefahr gebracht, aber seinen Tod will ich rächen.« Zornig sprang er auf Kriemhilt zu und schlug schwer auf sie ein. Sie schrie gellend aus Angst, aber was konnte ihr das helfen? Nun waren sie alle tot, die zum Sterben bestimmt waren.

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