Das Niebelungenlied
noch bitten?« sagte Wolfhart. »Nachdem wir durch Euch unsere Hoffnung verloren haben, laßt uns den Ritter wegtragen und begraben.«
Volkêr gab zur Antwort: »Niemand wird ihn Euch geben. Holt ihn aus dem Haus, wo er gefallen ist. Dann erst ist es ein vollwertiger Dienst.«
Wolfhart sagte: »Gott weiß, Herr Spielmann, reizen dürft Ihr uns nicht. Ihr habt uns Leid zugefügt. Wenn der Respekt vor meinem Herrn es zuließe, solltet Ihr dafür in Bedrängnis kommen, und wir unterlassen es nur, weil mein Herr verboten hat, zu kämpfen.«
Da sagte der Spielmann: »Das ist allzuviel Furcht, wenn einer alles unterlassen will, was man ihm verbietet. Das kann ich nicht Mut nennen.« Diese Antwort seines Freundes gefiel Hagen sehr.
»Laßt Euch nicht danach verlangen«, sagte Wolfhart. Ich bringe Euch Eure Saiten so in Unordnung, daß Ihr davon erzählen könnt, wenn Ihr je an den Rhein zurückkehrt. Ich kann Eure Herausforderung nicht mit Anstand hingehen lassen.«
Der Spielmann antwortete: »Wenn Ihr meinen Saiten den schönen Klang nehmt, dann wird der Glanz Eures Helmes trübe werden unter meinen Händen, wie es dann auch um meine Rückkehr bestellt sein mag.« Da wollte Wolfhart ihn anfallen, aber Hildebrant ließ es nicht zu und hielt ihn fest. »Du wolltest deinen törichten Zorn austoben, aber du hättest Dietrîchs Gnade völlig verloren.«
»Laßt den Löwen doch los, Meister, er ist so wütend«, sagte Volkêr. »Kommt er mir aber unter die Hände, werde ich ihn so schlagen, daß er nicht mehr davon erzählen kann, und wenn er die ganze Welt eigenhändig umgebracht hat.« Das erzürnte die Berner sehr. Wolfhart riß den Schild hoch und sprang wie ein Löwe auf Volkêr zu. Seine Freunde folgten ihm unaufhaltsam.
So weite Sätze er auch zum Saal machte, der alte Hildebrant hatte ihn vor der Treppe doch eingeholt. Er wollte ihn nicht vor sich in den Kampf kommen lassen. Er sprang auf Hagen zu. Die Schwerter klirrten in ihren Händen. Sie waren sehr zornig, das konnte man an den Funken sehen, die unter den sausenden Schwertern aufstoben. Im Getümmel des Kampfes wurden sie wieder getrennt, und Hildebrant ließ von Hagen ab. Wolfhart griff Volkêr an. Er schlug den Spielmann auf den Helm, daß die Schwertkanten bis auf die Bänder durchdrangen. Volkêr schlug auf Wolfhart ein, daß der ganze Mann Funken zu sprühen begann. Haßerfüllt hieben sie einander auf die Harnische. Wolfwîn von Bern trennte sie, und nur ein Held durfte versuchen, sich zwischen sie zu werfen. Gunther empfing dieAmelungen mit kampfbereiten Händen. Gîselher rötete die Helme mit Blut. Dancwart focht wie ein Wilder und mehr als je zuvor. Ritschart und Gêrbart, Helpfrîch und Wîchart hatten sich in vielen Stürmen rückhaltlos eingesetzt, das spürten die Burgunden. Wolfprant hielt sich prächtig. Hildebrant wütete. Von Wolfharts Hand fielen zahlreiche Ritter tot nieder. So rächten sie Rüedegêr. Sigestap, Dietrîchs Neffe, zerschlug seinen Feinden einen Helm nach dem anderen. Als Volkêr sah, daß Sigestap einen blutigen Bach aus den Helmen hieb, sprang er ihm entgegen. Er zeigte Sigestap solche Proben seiner Kunst, daß er den Tod fand unter seinem Schwert. Hildebrant rächte ihn: »Weh über Euch, lieber Herr! Aber nun soll auch Volkêr nicht länger leben«, sagte Hildebrant; er konnte nicht grimmiger sein. Er schlug auf Volkêr ein, daß die Bänder von Schild und Helm nach allen Seiten im Saal umherflogen: So kam der starke Volkêr ums Leben. Dietrîchs Männer drangen vorwärts und schlugen zu, daß die Panzerringe davonwirbelten und die Schwertspitzen hoch in die Luft flogen; sie machten das heiße Blut aus den Helmen fließen. Da sah Hagen, daß Volkêr tot war. Das war das Schlimmste, was ihm an Verwandten und Gefolgsleuten bei diesem ganzen Fest geschehen war. »Meinen besten Freund und Kampfgefährten hat Hildebrant erschlagen. Es soll sein Verderben werden.« Er hielt den Schild höher und ging zuhauend weiter. Helpfrîch erschlug Dancwart. Gunther und Gîselher sahen ihn fallen. Er hatte seinen Tod schon mit eigenen Händen gerächt. Wolfhart ging quer durch die Feinde und mähte die Burgunden nieder. Dreimal hatte er die Länge des Saales ausgemessen, und viele waren von seiner Hand gefallen. Da rief Gîselher ihn an: »Nun wendet Euch zu mir, edler Ritter. Ich will ein Ende schaffen, länger darf es nicht dauern.« Wolfhart drängte sich so ungestüm zu Gîselher durch, daß ihmdas Blut unter seinen Tritten bis über
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