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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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entsetzlich geschmacklosen Geschichten und redete lauthals über Sex, also stieß ich Ted an, der neben mir saß, um ihn dazu zu bringen, das Thema zu wechseln. Großer Fehler! Ich glaube, Du bist wirklich gut dran, daß Du den Mann nie kennengelernt hast. Es gibt Fußballhooligans hinter Gittern, die mit Recht behaupten können, sensibler und weniger schweinisch zu sein.
    »Ich gebe dieser gräßlichen Therapiebesessenheit die Schuld«, sagte er, als es darum ging, wie besessen heutzutage jeder von Sex ist. »Kennt ihr einen Seelenklempner, der nicht gern ein Rohr verlegt?«
    »Was stimmt denn nicht mit Therapien, Ted?« fragte ich – wie ich hoffte, nicht allzu schnippisch. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, selber eine gemacht zu haben.
    »Na ja, kommt darauf an, welche verdammte Sprache du wählst, nicht wahr?« sagte er mit übertrieben geduldiger Stimme, als ob ich zwei Jahre alt wäre. Ich glaube, er gehört zu den Männern, die auch mit Marie Curie so sprechen würden, als wäre sie eine sabbernde Analphabetin.
    »Reden Sie jetzt über den sexuellen Diskurs?« fragte Malcolm Whiting.
    »Nein, er diskutiert sexuelles Gerede«, sagte Oliver.
    »Ich habe ein Buch namens
Der Liebesbaum
geschrieben, das Sie vielleicht …«, fing der Idiot Whiting wieder an.
    »Ich meine folgendes«, unterbrach Onkel T. »In der guten alten Zeit besaß, wenn wir unsere Seelen auf dem Spiel glaubten, das Lateinische die ganze Autorität, und es war der Kurat oder Curé, der die Sakramente verabreichte. Heute, im Zeitalter der Technik, sagen wir Psyche für Seeleund Therapeut für Kurat, da Griechisch nun einmal die Sprache der Wissenschaft ist. Obwohl wir uns, mit dem ganzen New-Age-Gewichse um uns rum, neuerdings auch noch auf unsere germanischen Wurzeln besonnen haben und die Welt vom ›Heilen‹ daherplappert. Derselbe Ablauf: heilig, gesund oder heil. Sakramente, Therapie oder Heilen.«
    »Sie sehen da wirklich keinen Unterschied, Mr. Wallace?« fragte der Bischof. »Sie finden nicht, daß es verschiedene Arten des Krankseins gibt?«
    »Verschiedene Arten der ›Heillosigkeit‹, meinen Sie? Na ja. Wenn ich mir ein Bein breche, gehe ich zu meinem alten Freund, Dr. Posner. Wenn mir das Herz bricht, gehe ich zu meinem alten Freund, Dr. Macallan.«
    »Dr. Macallan?«
    »Er meint Whisky«, erklärte Deine Mutter und bedachte Ted mit einem scharfen »Warum hältst du nicht die Klappe und läßt es gut sein?«-Blick.
    »Aha«, sagte der Bischof, »und mal angenommen, eins Ihrer Kinder wäre irgendwie krank?«
    »Übergeschnappt?«
    »Wenn Sie wollen. Ich nehme doch an, daß Sie es nicht mit Whisky abfüllen würden?«
    »Ich war immer der Meinung«, sagte Max, »wenn jemand sich für Napoleon hält, sollte man ihn zu jemandem schicken, der sich für den Duke of Wellington hält. Das würde die Sache schnell bereinigen.«
    »Allerdings sind nur wenige Menschen auf so eindeutige Weise geistlich krank«, sagte der Bischof.
    »Ja, sehen Sie, ›geistlich‹ ist Ihr Ausdruck«, erwiderte Ted. »Das ›geistlich Kranke‹ des einen ist des anderen ›Mangel an Selbstvertrauen‹, ist beim nächsten ein ›überhöhter Blutzuckerspiegel‹ und beim vierten ›holistischeUnausgeglichenheit‹. Da zahlste ’n Heidengeld, und am Ende stehste genauso dumm da wie vorher. Tatsache ist doch, daß nichts je wirklich seelversorgt
oder
therapiert
oder
ganzgemacht werden kann.«
    »Wovon sprichst du überhaupt?« fragte Michael. Langsam wurde es gefährlich.
    »Alles fault. Auch wenn ich mich dem Vorwurf der Werbung in eigener Sache aussetze: Kunst allein kann diesen Prozeß aufhalten.«
    »Was für ein großkotziger Scheiß, Schatz«, sagte Oliver. »Lang, lang ist’s her, daß uns die Kunst Unsterblichkeit gewährte. ›So lang lebt
dies
und heißt dich fortbestehn‹ und der ganze Mist. Die Erfindung der Kamera hat uns allen ewiges Leben verliehen. Die Dunkle Dame und der Goldknabe der Sonette sind jetzt auch nicht unsterblicher als Oprah Winfrey oder die Teilnehmer beim ›Glücksrad‹.«
    Darauf ging Ted natürlich überhaupt nicht ein.
    »Das glaubst du doch selber nicht, und außerdem hab ich das gar nicht gemeint. Du wirst doch wohl zugeben, daß Künstler, zumindest die toten, intelligenter, sensibler und einfühlsamer vorgehen als jeder Therapeut mit einem Abschluß in Innerlichkeitsjargon der Universität Keele oder jeder Pfaffe im Außendienst mit einem Diplom vom King’s College oder, was das anbelangt, jeder verrückte Druide,

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