Das Nilpferd
der mit heißen Händen und einem Amethystklumpen Energie-Channeling betreibt.«
»Aber Herzchen, wir wissen doch alle, daß es die Kunst ist, die die Menschen in den Wahnsinn treibt.«
»Gewiß, Künstler sind verrückt, Oliver, das gebe ich zu. Jeder einzelne Herr Hans und jede einzelne Frau Grete. Alle, die sich mit Geist und Seele befassen, sind verrückt. Zeig mir einen normalen Psychotherapeuten, und ich zeigedir einen Scharlatan, zeig mir – mit Verlaub des Bischofs – einen heiligen Priester, und ich zeige dir einen Abtrünnigen, zeig mir einen gesunden New-Age-Heiler, und ich zeige dir einen Quacksalber. Aber wer sagt denn, daß es nicht besserer Balsam für verwundete Seelen ist, wenn man sie als Patienten zu einer Lyriklesung oder in eine Kunstgalerie schickt, als wenn man sie zwingt, über ihr Verhältnis zu ihren Müttern zu sprechen, oder sie mit dem Leib Christi vollstopft?«
»Aber du unterscheidest doch wohl zwischen Geist und Körper, nehme ich an«, sagte Rebecca. »Ich meine, einen Mann mit körperlichen Beschwerden würdest du doch nicht in eine Kunstgalerie schicken, oder?«
»Natürlich würde er das. Deswegen hängen in der Tate doch so viele Leprakranke herum«, sagte Max und holte sich damit einen ziemlich billigen Lacher, fand ich.
»Der Antiheld im
Liebesbaum
erfährt seinen Niedergang, weil …«
»Nein, nein.« Ted wurde immer aufgebrachter. »Ein mechanischer Fehler kann behoben werden, und die Medizin ist dazu absolut in der Lage. Aber das ist kein Heilen, das ist kein
Ganzmachen
.«
»Und nur die Kunst vermag zu heilen?«
Ich merkte, daß wir in genau dem Gespräch zu ertrinken drohten, in dem wir nie hätten landen dürfen, aber ehrlich, ich sah absolut keinen Weg, ihm zu entgehen. Sämtliche Logans, David, Simon, Michael und Anne, starrten Ted praktisch mit offenen Mündern an.
»Ich will’s mal so sagen«, antwortete Ted, »wir sind alle erwachsen. Selbst die Religiösen unter uns sind nicht mehr abergläubisch. Kein glücklicher, zuversichtlicher Mensch glaubt mehr an Geister oder Telepathie oder Wunder. Aber Kunst ist von Dauer. Als einziges kann sie nicht nur nichtwiderlegt, sondern sogar greifbar und unbestreitbar belegt werden.«
Er blickte mit einem unschicklich selbstgefälligen Gesichtsausdruck in die Runde, als wolle er uns zum Widerspruch herausfordern. Die meisten von uns sahen bloß peinlich berührt auf die Teller hinab. Es hätte auch nicht schrecklicher sein können, wenn er seinen Schwengel herausgeholt und Lady Draycott ins Ohr gestopft hätte. David starrte mich konsterniert an, und Rebecca schüttelte traurig den Kopf. Aber dann fing Simon, der dumme, ungeschlachte Simon, dem der ganze Unterton zu hoch gewesen war (falls man das so sagen kann), an zu sprechen. »Also ich glaube, es gibt ein paar Sachen, die nicht erklärt werden können …«, begann er, aber barmherzigerweise galoppierte Michael zu seiner Rettung herbei und sprach über seine Zeitungen.
Aber stell dir vor, selbst da bekamen wir keinen sicheren Boden unter die Füße. Er provozierte eine ganz seltsame Szene, wo David damit herausplatzte, daß er Michaels Besitz von Boulevardblättern schon immer gehaßt habe. Die Jugend kann ja so puritanisch sein, findest Du nicht auch? Ich weiß noch, daß ich in seinem Alter ein bißchen in die Richtung ging, aber nicht so extrem. Michael ließ es mit wahrer Engelsgeduld über sich ergehen, aber alles in allem war es ein sehr merkwürdiges Abendessen geworden.
Aber worauf wollte Ted eigentlich hinaus? Ich meine, er
weiß
es doch wohl, nehme ich an. Sollte ich ihn vielleicht beiseite nehmen und bitten, sich da nicht einzumischen? Wenn sein geiferndes Grinsen irgendwas zu bedeuten hat, dann will er unbedingt mit mir schlafen, also müßte ich ihn dazu bringen können, sich zu benehmen. Gestern hat er sich den ganzen Tag im Zimmer eingeschlossen und »geschrieben«, was wahrscheinlich heißt, daß er seinenletzten Rest Schamgefühl im Alkohol zu ersäufen versucht hat.
Es ist so schade, daß Du nicht hier bist, Jane. Inzwischen müssen diese Ärzte mit ihren Untersuchungen doch wirklich fertig sein. Ich verstehe nicht, wie Du es aushältst, Dir so viel Spaß entgehen zu lassen. Ich gebe zu, wenn auch ungern, daß Oliver als erster an die Reihe kommen sollte, da er es dringender nötig hat als ich, aber mein Gott, ich kann es kaum erwarten …
Alles Liebe,
Pat
P. S.: Mist, ich hab die Samstagspost verpaßt, also bekommst Du dies
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