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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ich an.«
    »Ist es dir recht, der Saat Abrahams zu entstammen?«
    »Du zählst nicht als Jude, wenn bloß dein Vater einer ist, weißt du.«
    »Hab ich auch so gehört.«
    »Das Problem mit den Juden«, sagte David und setzte sich auf ein kleines Sims im offenen Torbogen mit Blick auf den Rasen im Innern des Kreuzgangs, »ist, daß sie keinen Sinn für die Natur haben. Immer bloß Städte und Geschäfte.«
    »Meinst du die Juden im allgemeinen oder einen bestimmten Juden?«
    »Also, ich glaube, Daddy ist sogar ländlicher orientiert als die meisten, findest du nicht?«
    Er kann es sich auch leisten, dachte ich.
    Da er mein Schweigen als Widerspruch deutete, verschränkte David die Arme und dachte kurz nach.
    »Warum setzt du dich nicht?« fragte er schließlich.
    »Möchtest du’s genau wissen?«
    »Ja«, sagte er erstaunt.
    »Der Grund, warum ich mich nicht setze«, sagte ich, »ist, daß ich in jüngster Zeit äußerst üppig blühende Krampfaderknoten entwickelt habe.«
    »Krampfaderknoten?«
    »Du mußt davon gehört haben. Hämorrhoiden.«
    »Ach so, Hämorrhoiden. Ja. Hat Daddy auch. Er hat eine Salbe und einen Spatel zum Auftragen. Die hab ich in seinem Badezimmerschrank gesehen. Er sagt, eines Tages bekomme ich die auch, weil Hämorrhoiden das Elend des jüdischen Mannes sind. Hämorrhoiden und Mütter. Wodurch kriegt man die?«
    »Die kommen mit dem Alter und sitzenden Lebensgewohnheiten. Können nur kuriert werden, wenn man sie mit einem Skalpell herausschneidet. Die Behandlung ist grausamer als die Krankheit.«
    »Hast du nicht am Donnerstagabend gesagt, daß nichts geheilt werden kann?«
    »Touché, du blöder Hund.«
    »
Du
bist kein Jude, oder?« fragte David nach einer Pause.
    »Leider nicht. Trotz der Hämorrhoiden.«
    »Aber trotzdem bist du ein ziemlich städtischer Typ, würdest du das nicht auch sagen?«
    »Bloß bei Nordnordost«, sagte ich. »Ich bin nicht gleich fix und foxi, wenn ich ein Fax vom Fuchs unterscheiden soll.«
    »Simon findet, ich wäre der Städter der Familie, weil ich das Töten nicht gut finde. Er meint, den Städtern sei jeder Begriff der Bedeutung des Lebens abhanden gekommen, deswegen konzentrierten sie sich auf die Bedeutung des Todes.«
    »Das klingt mir ein bißchen zu gescheit, als daß es von Simon stammen könnte.«
    David lachte. »Ja, wahrscheinlich hat er’s in der ›Shooting Times‹ aufgeschnappt.«
    Ich tastete in der Tasche nach einer Rothie. David sah entsetzt aus.
    »Was ist los?« fragte ich. »Die Viktorianer pflegten Aschenbecher in den Kirchenbänken anzubringen, wußtest du das nicht? Predigten wurden nach Zigarrenlänge beurteilt. Eine Zehnzentimeterpredigt, eine Zwölfzentimeterpredigt, eine volle Corona und so weiter.«
    »Niemals!«
    »Ich schwöre bei Gott.«
    »Erzähl’s lieber dem Reiseleiter.«
    Ich sah das ein und verzichtete.
    David sah mich an. »Weißt du, warum Mummy heute morgen nicht wollte, daß ich in den Stall gehe und mich um Lilac kümmere?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    David seufzte und kaute auf seiner Unterlippe herum. »Sie möchte nicht, daß ich … sie hat Angst, weißt du.«
    »Angst?«
    »Ich kann … manchmal … fast … ich weiß, daß du lachen wirst …«
    »Ich werde nicht lachen«, versprach ich. Jedenfalls nicht hörbar.
    »Ich kann manchmal mit Tieren
sprechen

    Na und, dachte ich, ich spreche manchmal mit der Wand. Aber ich wußte, daß er das nicht meinte. Er meinte natürlich, daß die Tiere ihm antworteten.
    Mein Sohn Roman, der ungefähr in Daveys Alter ist, behauptete mal, er könne die Maus verstehen, die er in einem Käfig in seinem Schlafzimmer hielt.
    »Und was erzählt diese Maus so?« hatte ich gefragt.
    »Er erzählt mir, daß er gern einen Freund hätte.«
    Eine ziemlich durchsichtige Bitte um ein zweites Haustier, hatte ich gedacht und mich flugs zu Harrod’s verfügt, um ihm eines zu kaufen, unter der strikten Voraussetzung, daß sie seine Männlichkeit garantierten. Später ging mir auf, daß es in Wahrheit vielleicht eine Bitte von Roman selbst gewesen war. Bei jenen Gelegenheiten, wenn seine Mutter ihn während der Schulferien zu mir verfrachtete, war er in London oft einsam, nachdem der Reiz des Neuen verflogen war: zu jung für seine Schwester Leonora – der einzige Grund, warum er gezeugt worden war, war schließlich der Versuch gewesen, etwas zu erschaffen, das Helen und mich zusammenhalten konnte –, zu jung, um mit mir ins Theater zu gehen, zu alt, um von einem Kindermädchen

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