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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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hier der Experte, fragte ich mich, Simon oder dieser angestellte Profi? Typisches Weiterschieben des Schwarzen Peters, nahm ich an. Wenn das Pferd plötzlich im Eimer war und anfing, die Leute zu beißen, war es Master Simons Schuld, nicht die des Stallburschen.
    Davey streichelte dem Pferd übers Maul und blies ihm sacht in die Nüstern. »Ich frage mich«, sagte er und öffnete die Box, »ob …«
    »NEIN, Davey! Nein!« kreischte Anne. »Komm da sofort weg!«
    David sprang vom Tor zurück, als wäre es starkstromgeladen. Tubby sah diskret beiseite, aber ich konnte ein Glucksen nicht unterdrücken.
    »Entschuldige, Liebling, ich wollte dich nicht anschreien.« Anne schnaubte durch die Nasenlöcher wie die Stute, als sie sich nach ihrer verwunderlichen Explosion beruhigte. »Kranke Pferde können sehr gefährlich sein. Sehr launisch.«
    David war knallrot vor Verwirrung oder Schmach oder Furcht oder Zorn oder Frustration. »Lilac kennt mich genauso gut wie jeden anderen …«, brachte er heraus.
    Anne erlangte ihre Beherrschung zurück, eifrig bemüht, vor Tubby und mir das Gesicht zu wahren. »Ich weiß, Schatz, ich weiß. Aber solange wir nicht wissen, was ihr fehlt, besteht immer das Risiko einer Infektion. Pferde entwickeln manchmal Krankheiten, mit denen sie Menschen anstecken können, weißt du.«
    »Wann habe ich mich
überhaupt
das letzte Mal angesteckt?« fragte David.
    Lächelnd wendete Anne sich mir zu. »Ich fahre in einer halben Stunde nach Norwich zum Zahnarzt«, sagte sie. »Warum kommt ihr beiden nicht mit? David kann dir die Sehenswürdigkeiten zeigen.«
    Ich saß im Range Rover vorn neben Anne, der besiegte, fast mürrische David auf dem Rücksitz.
    »Morgen kommen die Zwillinge nach Hause«, sagte sie. »Angus und Diana fahren in Urlaub.«
    »Und Edward?«
    »Der hat außerhalb seiner Asthmasaison eine neue Behandlung gemacht, schon den ganzen Winter und Frühling über. Bisher hat’s keine Probleme gegeben, und wir glauben,wir können es riskieren, daß er nach Hause kommt. Wenn’s dann doch wieder losgehen sollte, müssen wir uns was anderes einfallen lassen. Margot hat mir von einem Kurort in der Schweiz erzählt. Sie fehlen mir fürchterlich.«
    Sie hatte die Welt und sich selbst überrascht, als sie mit achtundvierzig Jahren noch einmal schwanger geworden war und Zwillinge zur Welt gebracht hatte. Ich erinnerte mich an sie als achtzehn Monate alte Klackse, Weihnachten ’88, als ich das letzte Mal in Swafford gewesen war.
    »Sie werden bald fünf, schätze ich?«
    »Das ist ein weiterer Grund, warum sie zurückkommen. In vierzehn Tagen haben sie Geburtstag.«
    David kam wieder in Stimmung, nachdem Anne uns in der Nähe vom Stadtzentrum abgesetzt hatte und zu ihrem Zahnarzttermin weitergefahren war.
    »Weißt du, was an Norwich so interessant ist?« fragte er, als wir auf dem Bürgersteig herumstanden.
    Ich bezweifelte, daß es da irgend etwas gab, außer er meinte die Entfernung zu London, verlieh aber dem erbetenen Unwissen Ausdruck.
    »Es gibt in Norwich genau zweiundfünfzig Kirchen und dreihundertfünfundsechzig Pubs.«
    »Echt wahr?«
    »Sagt man jedenfalls. Das heißt, du kannst dich jeden Abend im Jahr in einer anderen Kneipe betrinken und das jede Woche im Jahr vor einem anderen Altar bereuen.«
    Dann standen unsere Chancen also beruhigende sechs zu eins, daß wir eher über einen Pub als eine Kirche stolpern würden. Die Wahrscheinlichkeit hatte aber gerade ihren freien Tag, und ich fand mich plötzlich mit David in einem Kirchhof wieder und sollte die edlen Proportionen des zur Apsis gehörigen Ostendes der großen Kathedrale und die sie überwölbenden Strebebögen bewundern. Dieedlen Proportionen der strebenlosen Wölbungen eines großen Barmädchens hätten zwar einen unendlich stärkeren Sog auf mich ausgeübt, aber ich ließ mich führen. Versonnen dachte ich daran, daß es wahrscheinlich zwanzig Jahre her war, seit ich zum letzten Mal in einer Kathedrale gestanden hatte. Der Geruch der Steine und die perfekte Ausgewogenheit von Temperatur und Atmosphäre, weder warm noch kalt, weder trocken noch feucht, kennzeichnen das Innere aller normannischen und gotischen Sakralbauten und tragen viel zum Mysterium und zur Pracht dieser Kunstwerke bei. Sagt er.
    David brachte mich nach draußen zum Kreuzgang, wo er mir das Wappenschild der Familie seiner Mutter zeigte.
    »Und wo, glaubst du, finden sich Aufzeichnungen über die Vorfahren deines Vaters?« fragte ich.
    »In der Bibel, nehm

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