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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Rosinen: überhaupt nichts anderes, sondern schlicht und einfach Ruhe und Regeneration.
    Es gibt ein hübsches amerikanisches Sprichwort: »Wenn es aussieht wie eine Ente und watschelt wie eine Ente, dann ist es wahrscheinlich eine Ente.« Oliver sieht aus wie einer, der R & R braucht, watschelt wie einer, der R & R braucht, fand ich. Daher braucht er wahrscheinlich R & R. Ich hab nicht ganz verstanden, warum Du wolltest, daß ich mehr über ihn herausfinde.
    Aber da ich ja auf ewig Dein Ergebenster bin, ging ich ihm gestern morgen nach dem Frühstück etwas um den Bart. Er saß in der Bibliothek, erfüllte einen Streifen Sonnenlicht mit Zigarettenrauch und entleerte die Zeitungen ihres Klatsches.
    »Morgen, Herzliebster. Rate mal, wessen kleines Stück am Nash bis zum Ende der Spielzeit ausverkauft ist?«
    Er meinte natürlich Michael Lakes
Halbparadies
, die Ursache meines Untergangs, das sie am National Theatre gerade zu Jubelstürmen hinreißt.
    »Er wär’s kaum wert gewesen, daß ich mich darüber so aufrege«, sagte ich und verteidigte meinen Angriff auf das Stück, »wenn ich erwartet hätte, es würde in vierzehn Tagen vom Spielplan genommen. Aber ich
wußte
es, ich war mir absolut sicher, daß das Publikum es mit Haut und Haar fressen würde. Darum ging’s ja gerade.«
    »Wenn Teddy eins nicht abkann, dann ist es ein erfolgreicher Linker, der links geblieben ist. Jedesmal, wenn du an Michael Lake und seinesgleichen denkst, hastet Sheila Schuld vorbei und knallt dir ihre Handtasche direkt auf den Solarplexus. Stimmt’s oder hab ich recht?«
    »Oh, Oliver, laß uns über was anderes reden.« Ich sank in den Sessel ihm gegenüber, der schräge Sonnenstrahl fiel zwischen uns.
    Oliver und ich hatten gemeinsam an einem Friedensmarsch nach Aldermaston teilgenommen, waren derselben Ortsgruppe der Labour Party beigetreten (West Chelsea natürlich … nichts allzu Haariges oder Tätowiertes) und schrieben für dieselben Zeitschriften, die zu jener Zeit so weit nach links neigten, daß sie Moskaus Unterstützung brauchten, damit sie nicht umkippten. Nichts kam mir mehr zupaß als der Prager Frühling 1968, ich ergriff die Gelegenheit beim Schopfe, die Gesellschaft in jedem Wortsinn zu verlassen. Oliver behauptet immer, ich hätte ihn verraten, meine Prinzipien verraten und auch jenes nichtexistente Bündel aus Vorurteil und Ahnungslosigkeit namens »das Volk« verraten. Natürlich wissen wir alle, daß der wahre Verräter, der für Oliver unentbehrliche Judas, niemand anderes war als die von ihm über alles geliebte Geschichte. Er hat jetzt das Alter erreicht, wo er sich nicht zu schade ist, der Welt seine bedauernswert vagen und schwer bereinigten Aufzeichnungen – auch »Tanja Tagebuch«, wie er dieses Werk insgeheim nennt – anzudrehen.Die Jahre 1955 bis 1970 sind gerade erschienen, eine Menge scheinheiliger Unflat wird auf
mein
Haupt ausgeschüttet, aber naturgemäß sehr wenig über sein widerwärtiges Treiben in Kellernachtclubs. Bloß ein paar glattzüngige Phrasen über das »Erwachen schwuler Identität« und Arschwischereien vergleichbaren Kalibers. »Tanja« besteht zum größten Teil aus Medienklatsch und seiner bekannt einäugigen Interpretation der Politik. »Die« sind abgestumpft und unfähig, »wir« sind Helden des Volkes.
    »Über was anderes reden?« sagte er. »Worüber möchtest du denn lieber reden? Den strengen Geruch des arbeitenden Menschen und den Beweis seiner Undankbarkeit, der darin besteht, daß er nie von dir gehört hat?«
    »Mein Frühstück wird gerade verdaut«, sagte ich. »Ich weigere mich, es von den Vorträgen eines Mannes wieder ans Licht bringen zu lassen, der mich aus der Behaglichkeit eines weichen Ledersessels in der Landhausbibliothek eines Millionärs über politische Moral belehrt.«
    »Eine politische Wahrheit bleibt eine politische Wahrheit, ob sie nun im Arbeiterpub oder Aristokratenclub ausgesprochen wird, mein Schatz, und das ist dir auch zur Genüge bekannt. Aber«, fügte er süßlich hinzu, als er spürte, daß ich drauf und dran war, ihn mit einer Antwort aus der Fassung zu bringen, »du hast recht. Reden wir vom Kohl, nicht von Königen. Simon läßt mich wissen, sofern es nicht regne, werde die Wintergerste schon in Bälde gülden glänzen. Hingegen werde Wendy der Wasserschlauch mit einem Bann belegt, falls Clara Cumulus nicht gekniffen und zu Tränen gerührt werden kann.«
    »Wo du grad Clara erwähnst«, sagte ich und fragte mich, ob Oliver bei der

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