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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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beschäftigt zu werden.
    Jetzt überkam mich die Erkenntnis, daß David, so idyllisch seine Kindheit dem Außenstehenden vorkommen mag, vielleicht ebenso Grund zur Einsamkeit hat. Er teilt weder die landwirtschaftlichen noch die sportlichen Interessen seines Bruders und (vermutlich) seiner örtlichen Altersgenossen; seine Verhaltensweise vermittelt, obwohl sie nicht direkt abschreckend ist, den Eindruck der Ferne, der Trennung von der Herde, des – mit Annes Ausdruck – Weitwegseins. Es ist normal, daß ein empfindsames und intelligentes Kind sich zurückzieht. Lieber stellt man seine Unabhängigkeit zur Schau, als daß man Zurückweisung riskiert. Tiere sind willkommene Freunde, weil sie einen nie beurteilen. Heranwachsende Mädchen können bekanntlich so in ihre Ponies vernarrt sein, daß man schon gesehen haben will, wie sie den morgendlichen Würfelzucker zwischen die Schamlippen klemmen und ihn sich aus der feuchten Feige schlecken lassen. Die bedingungslose Liebe,die ein Tier bieten kann, Liebe ohne Schuldgefühle, Zurückweisung, Gewalt oder Ansprüche, ist für Jugendliche ungeheuer verlockend. Sie sind natürlich zu dämlich und merken daher nicht, daß selbst die intelligenteste Kreatur so etwas nur fürs Futter tut. Für ein Tier geht die Liebe durch den Magen, und da endet sie auch.
    »Du sprichst also mit Tieren?« fragte ich nach.
    »Sie vertrauen mir. Sie wissen, daß ich nicht hinter ihren Eiern her bin oder ihrer Milch, ihrem Fell, ihrer Kraft, ihrem Fleisch oder ihrem Gehorsam.«
    »Viele von ihnen sind allerdings hinter dem Fleisch der anderen her, oder nicht? Oder sprichst du nur mit vegetarischen Tieren?«
    Ich hätte mich ohrfeigen können, als ich sah, wie sarkastisch die Frage für David geklungen haben muß. Ich hatte sie ganz ernst gemeint.
    Er stand auf. »Wir treffen Mummy an der Stadthalle«, sagte er. »Das ist ein ganzes Stück Weg. Wir sollten schon mal losgehen.«
     
    Anne und ich saßen in der Teestube der Stadthalle und mampften Pfannkuchen. David hatte um die Erlaubnis gebeten, noch über die Straße in die Stadtbücherei gehen zu dürfen.
    »Ich hätte nicht gedacht, daß ich das machen könnte«, sagte Annie.
    »Was machen?«
    »Zubeißen. Ich war darauf gefaßt, daß mir alle möglichen schrecklichen Spritzen und Füllungen bevorstehen.«
    »Also ein unbeschriebenes Gesundheitsattest?«
    »›Wenn ich in Ihrem Alter solche Zähne habe, Lady Anne, kann ich mich glücklich schätzen.‹«
    »Zweischneidiges Kompliment.«
    »In unserem Alter nimmt man jedes Kompliment, das man kriegen kann, findest du nicht?«
    »Es ist so lange her, daß mir eins gemacht wurde«, sagte ich, »daß ich die Frage eigentlich nicht beantworten kann.«
    »Oh, mein armer kleiner Tedward. Dann mach ich dir jetzt eins. Du bist erst seit einer Woche in Norfolk und siehst schon tausendmal besser aus als bei deiner Ankunft.«
    »Das geht als Kompliment an dich und deine Gastlichkeit, meine Liebe, nicht an mich.«
    »Ach je, da hast du natürlich recht. Dann sag ich dir eben, wie schön es ist, dich bei uns zu haben.«
    »Engel.«
    »Nein, Ted, ist es wirklich. Ich hoffe, es gefällt dir. Du brauchst nur zu sagen, wenn du etwas möchtest.«
    Ich öffnete meine Hände und beteuerte, daß weder Prinz noch Papst mir mehr bieten könnten.
    »Und du?« sagte ich. »Ein glückliches Häschen?«
    »Wonnevoll.«
    »Keine Stürme am Horizont?«
    »Wie kommst du darauf?« Sie runzelte kurz die Stirn und kümmerte sich um die Teekanne.
    »Ach, gar nichts Bestimmtes. Ich denke bloß manchmal, es muß doch ein komisches Leben für dich sein. Da wohnst du in dem Haus, in dem du groß geworden bist, aber …«
    »Aber mit einem Mann aus einer anderen Welt? Also Ted, wirklich! Ich hab doch von allem nur das Beste. Meinen eigenen Freundeskreis plus die ganzen Wirtschaftsbosse und Politiker und Künstler und Schriftsteller und Exzentriker, die Michael so anzieht.«
    »Das ist eine Liste, die manch einen auf der Welt schon zum Kotzen bringen könnte.«
    »Na ja, so gesehen, hört’s sich ziemlich fürchterlich an,aber ich hab wirklich Glück gehabt. Reden wir doch nicht drum rum, ich bin nicht sonderlich helle, und Michael ist ein wundervoller Ehemann. Ich meine, es wäre unanständig, wenn jemand in meiner Lage sich noch beschweren wollte. Einfach unanständig.«
    Ich ließ mir noch eine Tasse eingießen.
    »Damit will ich nicht sagen«, fuhr sie fort, »daß es mich nicht aufregt, wenn die Zeitungen schreckliche Dinge

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