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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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dasitzen.
    »Mußt du das alles lesen?«
    »Lesen? Was verstehe ich denn schon von Überdruckventilen und Ampere? Nee, ich mach das so.«
    Albert ließ den Daumen über die Seiten des Berichts gleiten und schlug eine beliebige Seite auf. Mit roter Tinte unterstrich er ein paar Worte, blätterte ein paar Seiten weiter, wo er einige Zahlen einkreiste und ein großes Fragezeichen an den Rand malte. Das machte er vier- oder fünfmal, bevor er unten auf die letzte Seite die Worte schrieb: »Kann das Zweitwerk die zusätzlich anfallende Menge verarbeiten?«
    Michael war zufällig gerade vor dem Arbeitszimmer, als der Ingenieur eine Woche später wieder vorbeikam.
    »Ich habe die von Ihnen monierten Angaben immer wieder und immer wieder geprüft, Mr. Logan, und meine Kollegen auch, aber wir können einfach keinen Fehler finden.«
    »Oh, das tut mir leid, mein Lieber. Muß mir ein Fehler unterlaufen sein. Ich hätte Ihnen gleich vertrauen sollen.«
    »Nun, wir sind gerne gründlich, Sir. Auch beim Zweitwerkwaren wir uns ziemlich sicher. Aber dann, darauf kommen Sie nie, haben unsere Vertragspartner angerufen und gesagt, sie hätten die Toleranzwerte zu niedrig angesetzt. Die sind um zehn Prozent höher.«
    Nachdem Albert den dankbaren Ingenieur, der voller Bewunderung für ihn war, hinausbegleitet hatte, wandte er sich Michael zu, den er auf dem Flur hatte herumlungern sehen.
    »Siehst du? Jetzt haben sie alles so oft gegengerechnet, daß bestimmt keine Fehler mehr auftreten.«
    »Aber das mit dem Zweitwerk? Woher hast du das gewußt?«
    »Manchmal tippst du einfach ins Blaue. Glaub mir, du kannst dich immer darauf verlassen, daß Zweitwerke die zusätzliche Menge nicht schaffen, und du kannst dich immer darauf verlassen, daß der Stolz eines Mannes dir einen Großteil deiner Arbeit abnimmt.«

II
     
     
    Eines Tages, noch während der Ferien, genau in der Woche, bevor Michaels erstes Schuljahr im Internat in Sussex anfing, rief Albert die Kinder in sein Arbeitszimmer. Er sah sehr ernst aus und sprach Ungarisch, ein sicheres Zeichen, daß er Kummer hatte.
    »Ich habe gerade einen Brief von eurem Onkel Amos bekommen«, sagte er. »Ich werde einige Zeit wegfahren müssen. Für mich ist es eine gute Zeit, Urlaub zu machen. Du, Michael, wirst früher zu deiner neuen Schule gehen müssen. Ich habe ihren Direktor angerufen, und er ist gern bereit, sich um dich zu kümmern. Du bleibst zu Hause, Rebecca, und Mrs. Prince kümmert sich um dich.«
    »Warum denn, Vater?« fragte Michael. »Was ist passiert?«
    »Unsere Verwandten, die in Wien leben, euer Onkel Rudi, euer Onkel Louis, eure Tanten Hannah und Roselle und all ihre Kinder, möchten Österreich verlassen und nach England kommen. Ich kann ihnen dabei helfen, weil ich einen britischen Paß habe. Eine mühselige Notwendigkeit, aber eben notwendig.«
    Am Tag danach war Albert nach London gefahren, um seinen alten Freund im Außenministerium aufzusuchen, den englischen Gentleman, der ihn 1933 besucht hatte. Albert vermied jegliche Erwähnung von Britanniens »Freundschaft mit der gedeihenden jungen Demokratie«, dieser »unverbrüchlichen Tatsache in einer wankelmütigen Welt«, von der der Gentleman an jenem Nachmittag in der Tschechoslowakei gesprochen hatte. Albert lag nichts daran,Mr. Chamberlains Teestunde mit Herrn Hitler in Frage zu stellen.
    Der Herr im Außenministerium hörte sich Alberts Geschichte an und bekannte dann, daß die Angelegenheit etwas außerhalb seines Einflußbereichs liege. Er schlug einen Mann vor, den er in einer anderen Behörde kannte, und war zuvorkommend genug, Albert ein Empfehlungsschreiben mitzugeben.
    Der Mann in der anderen Behörde war, vielleicht weil er Murray hieß, diesem Logan nicht gerade mit mitteleuropäischer Epiglottis begegnet.
    »Wirklich, Sir, ich weiß nicht, was Sie damit meinen, ›es müsse etwas unternommen werden‹. Allwöchentlich haben wir eine große Anzahl britischer Juden wie Sie, die hierherkommen und ausnahmslos Anliegen dieser Art vorbringen. Ihnen allen sage ich, was ich jetzt auch Ihnen sagen werde. Ein Rädchen greift ins andere. Sie müssen die prekäre Lage der gegenwärtig auf dem europäischen Kontinent vorherrschenden Diplomatie verstehen. Nach den neuerlichen, hart erkämpften Erfolgen in München befindet sich die Regierung Seiner Majestät kaum in einer Position, von der aus sich Forderungen an Deutschland stellen ließen, während dieses seit langem leidende Land bemüht ist, ein klares Gefühl seiner

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