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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Loyalität zu Kaiser Franz Joseph, dessen Kavallerie er geliebt hatte, gekannt und sie dann aufgekündigt; er hatte die Loyalität zu zwei Königen George und einem König Edward, deren Land und Leute und Geschichte er verehrt hatte, gekannt und kündigte sie jetzt auf. In diesem schrecklichen kleinen Zimmer mit seinem unermeßlich verhaßten Geruch, einem Geruch, der seiner Familie jegliche Würde und Farbe und Stärke nahm und der ihm jegliche Würde und Farbe und Stärke nahm, seine Tweeds, sein kostspieliges Gepäck und seinen kleinen blauen Paß, in diesem schrecklich stinkenden Zimmer schwor er eine neue Loyalität, die zu seinem Volk – seinem dämlichen, jammernden, hilflosen und unermeßlich aufreizenden Volk, dessen Religion er verachtete, dessen Kultur er verschmähte, dessen Verschrobenheiten und Vorurteile er verabscheute.
    Mit Lügen, mit List, unter Einsatz alter Armeekontakte und mehr als alldem, naturgemäß, unter Einsatz seines Geldes verschaffte sich Albert die Papiere, die erforderlich waren, um seinen Verwandten das Verlassen Wiens zu ermöglichen. Neben Louis, Rudi, Hannah und Roselle waren dadie vier Kinder Danny, Ruth, Dita und Miriam. Er brachte sie mit dem Zug nach Holland und von dort mit der Fähre nach Harwich in England. Er blieb lange genug in Huntingdon, um sie Rebecca und ihrem Kindermädchen, Mrs. Price, vorzustellen, und dann fuhr er nach Sussex und sprach bei Michaels Direktor, Dr. Valentine, vor.
    »Hier haben Sie genug Geld für den Rest seiner Schulzeit«, sagte er. »Sie werden bitte Sorge tragen, daß er ein exzellentes Stipendium für seine Public School erhält.«
    »Nun, Mr. Logan, ich denke, das hängt ganz davon ab, wie intelligent der Junge ist und mit welchem Fleiß er sich seiner Arbeit widmet. Stipendien sind kaum etwas, das man …«
    »Michael ist äußerst intelligent und arbeitet äußerst hart. Wenn ich ihn jetzt bitte sprechen kann?«
    Ein Junge wurde geschickt, um den jungen Logan herbeizuholen.
    Während sie auf ihn warteten, wandte Albert sich erneut an den Direktor. »Noch eins muß ich sagen, Dr. Walentine. Möglicherweise denken Sie, mein Sohn und ich könnten Juden sein.«
    »Also wirklich, Mr. Logan, ich habe nicht im geringsten …«
    »Es ist als gegeben anzunehmen, daß wir
keine
Juden sind. Michael ist kein jüdischer Junge. Er ist ein Junge der
Church of England
. Ich gehe weg, nach Europa, aber ich habe Freunde hier in England. Sollte es in meinen Ohren ankommen, daß eine einzige Person in der Schule unterstellt oder laut sagt, daß Michael ein jüdischer Junge ist, so kann es vorkommen, daß ich zurückkomme, ihn fortnehme und Sie mit meinen Fäusten schlage, Dr. Walentine, mit genug Stärke, um Sie totzumachen.«
    »Mr. Logan!«
    »Hier kommt er. Wir werden einen Spaziergang machen, er und mich … ihn und ich.«
    Der verblüffte Dr. Valentine blieb zurück und sann dieser alarmierenden Drohung nach, während Michael seinem Vater den See zeigte, die Ponykoppel, den Kricketplatz und die Wälder, wo er mit seinen Freunden Cowboy und Indianer spielte.
    Albert sprach in einer Mischung aus Jiddisch und Ungarisch. Michael antwortete auf englisch.
    »Du bist jetzt sieben Jahre alt, Michael. Wirklich alt genug, um zu wissen, wie es in der Welt zugeht.«
    »Schon in Ordnung, Vater. Das weiß ich schon.«
    »Das weißt du schon?«
    »Der Mann macht Pipi in die Frau, und sie bekommt ein Baby. Hat Wallace gesagt. Er ist der Stubenälteste in meinem Schlafsaal.«
    »Was für ein Kind. Wie es
dabei
zugeht, davon rede ich nicht, außerdem hat das nichts mit Urinieren zu tun, das kannst du deinem Freund Vollis sagen. Ich rede von echten Tatsachen.«
    »Echte Tatsachen?«
    »Beantworte mir ein paar Fragen, Michael Logan. In welchem Land bist du geboren?«
    »Ungarn«, sagte Michael und drückte seine Brust raus.
    »NEIN!« Albert drehte sich zu seinem Sohn und schüttelte ihn. »Nicht richtig. Noch einmal. In welchem Land bist du geboren?«
    Michael starrte seinen Vater ganz erstaunt an.
    »Tschechoslowakei?« probierte er ängstlich.
    »NEIN!«
    »Nein?«
    »Nein! Du kommst aus England. Du bist Engländer.«
    »Ja, natürlich, aber geboren wurde ich …«
    »Du wurdest in Huntingdon geboren. Du bist in Huntingdon aufgewachsen. Welcher Religion gehörst du an?«
    So hatte Michael seinen Vater noch nie erlebt. So stark und so wütend. »Church of England?«
    »JA!« Albert gab ihm einen Kuß. »Guter Junge. Im Prinzip hast du’s verstanden. Du darfst

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