Das Nilpferd
vorausgesetzt,im Verlaufe der kommenden zwei Jahre all seine Güter sowie seine Raffinerie in der Tschechoslowakei zu einem marktgerechten Preis zu erwerben und eine Anzahl britischer Landwirte zu entsenden, um die Erfahrung zweier voller Jahresläufe der Rübe, von Wuchs über Ernte bis Raffinierung, mit ihm zu teilen. Die Regierung der Tschechoslowakei sei eifrig bestrebt, dem geflissentlich entgegenzukommen, da Britanniens Freundschaft mit der gedeihenden jungen Demokratie eine unverbrüchliche Tatsache sei in einer wankelmütigen Welt, ein Band, auf das man bauen dürfe in diesen für Europa so schwierigen Zeiten.
Der Engländer und der tschechische Übersetzer würden Mr. Bienenstock nun allein lassen, so daß er ihre Offerte verdauen könne. Seine Entscheidung könne im Verlauf der nächsten Wochen gefällt werden. Ganz ausgezeichneter Tee, wirklich. Der beste, den der Engländer auf dem Kontinent probiert habe. Einen schönen guten Tag noch, Mr. Bienenstock. Wie reizende Kinder.
Wäre Albert auf die Knie gefallen und hätte er seinen Kopf bedeckt, um Gott anzuflehen, er möge ihm alles zugestehen, was er sich wünsche, so hätte er kein Gebet entwerfen können, das so genau seine Bedürfnisse skizziert hätte. Albert gelang es jedoch, die Contenance zu wahren und nicht sofort zu antworten, sondern drei Tage später eine Nachricht nach Prag zu senden, derzufolge es ihm ein Vergnügen sein werde, dem Plan des englischen Gentleman zu willfahren, und daß er sich darauf freue, seine Gastlichkeit den Landwirtschaftsexperten anzubieten, die London ihm schicken werde.
Die englischen Landwirte, Mr. Northwood, Mr. Aves und Mr. Williams, kamen später im selben Jahr an. Sie beeindruckten Albert durch ihre Intelligenz und ihren Respektund erwiesen sich als aufmerksame und außergewöhnlich geschickte Schüler in der Kunst des Zuckerns. Harry, Paul und Vic, wie sie genannt zu werden wünschten, waren freundlich zu Michael und Rebecca, die mit einer so bereitwilligen Annahme des Englischen reagierten, als sei diese Sprache ihnen bei Geburt eingepflanzt worden und habe nur auf diese Gelegenheit gewartet, sich zu voller Blüte zu entfalten. Geist und Substanz der Sprache schnappte auch Albert schnell auf, mußte jedoch großen Spott vom kleinen Michael ertragen, der nicht verstand, daß sein Vater ihr Gefüge nicht zu beherrschen lernte.
»Nein, Vater. Es heißt nicht ›Wick Villiams‹ oder ›vunderful willage‹. Es heißt ›Vic Williams‹ und ›wonderful village‹.«
»Ich kann diese Buchstaben nicht aussprechen.«
»Das ist verrückt!« schimpfte Michael, verärgert über diese Absurdität. »Wenn du ›Villiams‹ und ›willage‹ sagen kannst, dann kannst du selbstverständlich auch ›Williams‹ und ›village‹ sagen.«
»Weteranen bleiben bei ihrer Veise«, sagte Albert mit absichtlicher Sturheit.
Während dieser aufregenden zwei Jahre für den Haushalt der Bienenstocks redete man nur auf englisch und über England. Die Besucher sprachen von Pubs und Clubs, von Cricket und Soccer, von Oxford und Cambridge, von Leslie Howard und Noël Coward, von Kreuzworträtseln und Fuchsjagden, von »Huntley and Palmer«-Keksen und Tee aus Mazawattee, von der BBC und der GPO, von der Nacht des Guy Fawkes und dem Tag des Derby, vom Premierminister von Mirth und vom Prince of Wales. Albert grub in einem Buchladen eine deutsche Ausgabe von John Galsworthys
Forsyte Saga
aus und wurde immer ungeduldiger, endlich Teil dieser höflichen, geregelten Welt zu werden,mit ihren Marktplätzen und Strandhotels, den gemütlichen Nebeln und ratternden Taxis, ihren Politikern mit Zylindern und Herzoginnen mit weißen Handschuhen.
Auf der Fähre beim Auslaufen aus Bremerhaven (ein letzter Blick auf das arme Deutschland und das arme, arme Europa) kam der kleine Michael, während Rebecca sich an der Reling übergeben mußte, auf ihren Namen zu sprechen.
»Harry sagt …« – jeder Satz Michaels hatte im letzten Jahr mit diesen Worten angefangen –, »Harry sagt, daß Engländer vielleicht über den Namen Bienenstock lachen. Harry sagt, daß der wie
bean stock
klingt und daß das eine Art Bohnensuppe ist.«
»Oje«, sagte Albert. »Wir wollen doch nicht, daß Leute unseren Namen auslachen. Wir müssen uns einen anderen einfallen lassen.«
Ein Jahr später, als sie sich in der Nähe von Huntingdon schon eingelebt hatten, kam Michael selbst eine hervorragende Idee. Sein bester Freund im Kindergarten hieß Tommy Logan, und Michael,
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