Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
der Tommys Namen ein ums andre Mal in sein Übungsheft schrieb, wie beste Freunde das machen, merkte, daß »Logan« eigentlich ein umgestelltes »Golan« war.
    Albert war begeistert. »Logan«, wiederholte er immer wieder, »Logan … Logan … Logan.«
    »Siehst du, Vater!« sagte Michael. »Wir haben eine
Anglo
-Version aus
Golan
gemacht!«
    Sechs Monate später spazierten die beiden Kinder mit ihrem Vater von der Einbürgerungsbehörde des Innenministeriums zu Lyon’s Corner House am Trafalgar Square.
    »Onkel Amos wird sich so freuen«, sagte Albert Logan, Untertan Seiner Majestät des Königs.
    Tommy Logan dagegen, wieder im Kindergarten von Huntingdon, war alles andere als erfreut.
    »Du hast meinen Namen gestohlen!« heulte er. »Du widerlicher
Jude
, du hast meinen Namen gestohlen. Was fällt dir ein! Ich rede nie wieder mit dir, du stinkender
Jude

    »Woher wissen die bloß, daß du Jude bist?« hatte Albert sich gefragt, als Michael seinem Vater von dieser Entfreundung erzählt hatte.
    »Das hat Miss Hartley ihnen an meinem ersten Tag erzählt«, sagte Michael. »Sie hat gesagt, daß alle nett zu mir sein müssen, weil anständige Menschen uns dafür vergeben, daß wir Jesus ermordet haben.«
    »Tatsächlich?« sagte Albert, und eine kleine Furche erschien auf seiner Stirn.
    Aber Furchen gehörten nicht auf Alberts Stirn, sondern auf seine Äcker. Die Testfelder der Regierung in Huntingdonshire waren die Sensation des Tages und kurze Zeit das Tagesgespräch Englands.
    »BRITANNIEN GIBT DER WELT EINS AUF DIE RÜBE!« hatte eine Schlagzeile auf Seite fünf des »Daily Express« verkündet, über einer Fotografie von Albert und einem Landwirtschaftsbeauftragten der Regierung, die stolz vor ihren »Versuchsfeldern« standen.
    »Dieses wenig anziehende Gemüse, eigentlich nicht mehr als eine süße Steckrübe, könnte der Schlüssel zu Britanniens künftigem Wohlstand werden«, verkündete ein Leitartikel.
    Die britische Öffentlichkeit war nicht so leicht zu überzeugen.
    »Ist Rübenzucker dann rot?«
    »Kann man echte englische Zuckerwürfel daraus machen?«
    »Hat er mehr Kalorien?«
    »Schmeckt er nach Erde?«
    »Kann ich aus Rüben Kuchen backen?«
    »Kann ich Rüben im Garten ziehen und meinen eigenen Zucker herstellen?«
    »Ist das fair gegenüber den Kolonien?«
    »In den Teestuben der Tate Gallery wern se den nich servieren, da kannste aber wetten.«
    In den nächsten vier oder fünf Jahren bereiste der lächelnde Ungar in Tweed-Knickerbockern in seinem ilexgrünen Austin die Südküste und East Anglia und spendete verwirrten, aber aufgeschlossenen Bauern Regierungsgelder und landwirtschaftlichen Rat. Michael und Rebecca erhielten weiterhin Unterricht in Miss Hartleys Kindergarten in Huntingdon, einer Stadt, der Albert inzwischen sehr zugetan war, trotz anfänglicher Vorbehalte.
    »Oliver Cromwell?« hatte er gerufen, als er erstmals davon hörte. »Oliver Cromwell stammt von hier? Der Königsmörder?«
    Er konnte es einfach nicht fassen, daß die sonst so loyalen und respektablen Bürger von Huntingdon ihrem verruchten Sohn so tiefen Stolz entgegenbringen konnten, dieser Schande der englischen Geschichte, diesem britischen Lenin. Mit der Zeit lernte er jedoch, dem Lord Protector zu vergeben, der schließlich wie er selbst Grundbesitzer gewesen war und den nicht Bolschewismus oder Blutgier, sondern schreckliche Umstände zu den Ereignissen getrieben hatten, die dann zu jenem furchtbaren Januarmorgen in Whitehall führten. Im Gegenzug lernten die Einwohner von Huntingdon den merkwürdigen Tschechoslowaken lieben mit seinen charmanten Manieren, seinen wunderbar englischen Kindern und seinem unerklärlich schottischen Nachnamen. Weniger Liebe brachten sie seiner Raffinerie entgegen, deren Bau er überwacht hatte und die er jetzt leitete. Sie gab einen widerlichen Geruchnach verbrannter Erdnußbutter von sich, der an windstillen Tagen über der ganzen Stadt hing. Dem Bau einer zweiten Raffinerie in Bury St. Edmunds verdankte der kleine Michael seine erste Lektion in den Techniken der Betriebswirtschaft, ein wahrer Glücksfall.
    An einem regnerischen Nachmittag, als Rebecca und Michael auf dem Fußboden des väterlichen Arbeitszimmers spielten, kam ein Ingenieur und wollte Albert sprechen. Er hinterließ einen 600 Seiten starken Bericht voll mit technischen Zeichnungen und Daten, für die er eifrig Mr. Logans Zustimmung suchte.
    Am selben Abend sah Michael Albert mit dem Bericht auf dem Schoß

Weitere Kostenlose Bücher