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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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niemals,
niemals
, bei deinem Leben und meinen ewigen Verwünschungen, einer einzigen Seele erzählen, daß du Jude bist. Hast du verstanden?«
    »Aber warum denn nicht?«
    »Warum nicht? Weil die Deutschen kommen, darum nicht. Sie werden sagen, sie kommen nicht, aber glaub mir, sie kommen trotzdem. Die Nazideutschen kommen, und sie werden jeden wegbringen, der Jude ist. Also bist du kein Jude, und deine Schwester ist keine Jüdin. Du kennst keine Juden, du siehst keine Juden, du sprichst nie mit Juden. Du bist Michael Logan aus Wyton Chase, Huntingdon. Deine Onkel und Tanten aus dem Ausland leben bei dir. Sie sind protestantische Christen.«
    »Und du lebst natürlich auch bei mir.«
    »Natürlich«, sagte Albert. »Ich lebe auch bei dir. Natürlich.«
    Sechs Monate später hatte Michael einen Brief mit einem exotischen Stempel erhalten.
    »Jerusalem!« schrie einer seiner Freunde. »Logan hat einen Brief aus dem Juden-salem bekommen.«
    »Mein Onkel ist bei der Armee in Palästina«, hatte Michael nonchalant gesagt. »Das Mandat nennt man das.«
    »Logan ist ein Jude!«
    »Stimmt ja gar nicht!«
    »Geiziger Judenlümmel!«
    »Was ist denn hier los?«
    Michael drehte sich angsterfüllt um, als Edward Wallacesich durch das Gedrängel nach vorne schob. Wallace gehörte zu den Stubenältesten und war dafür bekannt, daß er Leute allein mit seinen Sticheleien fürchterlich fertigmachen konnte.
    »Loganstein hat einen Brief aus Judenland gekriegt.«
    »Er ist ein Jude. Sieht man doch sofort. Kuck dir bloß die Nase an.«
    »Er ist ein Rundkopf, ist doch klar.«
    Im Schulslang galten als Rundköpfe diejenigen, die beschnitten waren, im Gegensatz zu den Kavalieren, die das nicht waren.
    Wallace blickte auf Michael herab, seine Augen schossen niederträchtig hin und her, als suche er im Gesicht des Jungen nach einer Entscheidung. Michael wappnete sich. Sein Mund war trocken, und er fühlte sich schwach vor bösen Vorahnungen.
    Endlich sprach Wallace. »So was Beklopptes«, sagte er. »Logan ist kein geiziger Jude, er ist ein geiziger Schotte, genau wie ich. Und ich weiß zufällig, Hutchinson, daß du auch ein Rundkopf bist, und außerdem hast du die größte Nase der zivilisierten Welt. Die ist doch so groß, daß schon in der Zeitung steht, daß die Kinder aus dem East End bis zum Kriegsende in dein linkes Nasenloch evakuiert werden sollen.«
    Eine Flutwelle Spottgelächter schlug daraufhin über Hutchinson zusammen, und Michael mußte alle Muskeln anspannen, um sich nicht vor Erleichterung naßzumachen. Mit verschlagenem Grinsen drehte Wallace sich zu ihm.
    »Rück die Briefmarken rüber, McLogie, die sammel ich.«
    Michael riß die Ecke vom Umschlag ab und gab sie ihm mit einem Strahlen der Dankbarkeit. Wallace versetzte ihm eins hinter die Ohren und meinte, er solle nicht so blödgrinsen wie ein Affe, sonst könne er die Fresse poliert kriegen.
    »’tschuldigung, Wallace.«
    Michael mußte dann hinter die Schule gehen, um den Brief in Ruhe lesen zu können. Er war von Onkel Amos. Bis heute bedauert er, ihn nie genauer gelesen zu haben. Er gestattete sich bloß einen ganz flüchtigen Blick, bevor er ihn in kleine Schnipsel riß und in der Toilette wegspülte.
    Alles, woran er sich von dem Brief jemals erinnern sollte, waren ein paar einzelne Sätze. Onkel Amos schrieb, daß Michaels Vater, zwei Tage nachdem Chamberlain Deutschland den Krieg erklärt hatte, von den Nazis erschossen worden war. Irgendwas mit Berlin. Irgendwas von in den Ghettos wohnen und Wärme verbreiten. Albert Golan sei ein jüdischer Held und ein großer Mann. Moisha Golan, sein Sohn, solle sehr stolz auf ihn sein und seiner stets gedenken.
    Am Tag darauf kamen die Onkel Richard und Herbert, wie Louis und Rudi sich jetzt nannten, und holten Michael von der Schule ab.

III
     
     
    Das ganze Geld war natürlich weg. Das ganze Geld aus dem Verkauf des Guts in der Tschechoslowakei, das ganze Geld, das er in den letzten Jahren durch die Arbeit fürs Ministerium verdient hatte, das ganze Geld, das er durch die Hypotheken auf seine beiden Raffinerien aufgebracht hatte. Michaels nächste drei Jahre in Dr. Valentines Prep School waren gesichert. Aber danach …
    »Ich kriege bestimmt ein Stipendium«, sagte Michael. »Und in den Ferien such ich mir Arbeit und zahl auch Rebeccas Schulgeld.«
    »Du bist noch keine zehn Jahre alt, Michael«, sagte Tante Roselle, jetzt Tante Rose. »Wir zahlen für eure Schule. Wir alle haben Arbeit, wir kümmern uns um euch

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