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Das nordische Dreieck

Das nordische Dreieck

Titel: Das nordische Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka Loreen Minden
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da sie knarzte. Als er unten ankam, sah er, wie das Fenster von außen geschlossen wurde. Von einer großen Gestalt, die durch den Baum im Schatten verborgen blieb.
    Beim nächsten Wimpernschlag war sie verschwunden.
    Ich bilde mir das nicht ein! Hastig verriegelte David das Fenster, schlüpfte in seine Schuhe, riss den Mantel von der Garderobe und öffnete die Haustür. Zuerst steckte er nur den Kopf hinaus und erkannte eine Gestalt, die in einer Nebenstraße verschwand. Sie trug ebenfalls einen Mantel. Das musste der Einbrecher sein!
    Davids Griff um den Kerzenständer zog sich zu. Hastig sperrte er die Tür ab und folgte dem Unbekannten in die Dunkelheit.

    ***

    Eine halbe Stunde lang hatte er die Gestalt durch London verfolgt. Sie drehte sich ständig um und David hielt genug Abstand, um nicht entdeckt zu werden. Hier gab es keine Laternen, aber der herannahende Morgen sorgte für unheimliches Zwielicht. Es war also weit nach Mitternacht, kurz vor vier Uhr morgens. David hatte sich ordentlich in der Zeit geirrt. Bald würde die Sonne aufgehen, doch dieser Stadtteil schlief noch. Er war wie tot. Ausgestorben.
    Aus dieser Entfernung erkannte er das Gesicht des Fremden nicht und konnte nicht sehen, ob er Reißzähne oder Klauen hatte. Nur verstrubbeltes braunes Haar.
    Wie damals …
    Wild klopfte der Puls in seinen Schläfen. Vielleicht war heute der Tag, an dem sich endlich all seine Fragen klärten. Wer war der Unbekannte? Woher war er am Tag des Überfalls gekommen? Warum hatte er ihn gerettet? Und was hatte er in seinem Haus verloren gehabt?
    Längst wusste David nicht mehr, in welchem Stadtteil er sich befand. Schäbig sah es hier aus. Müll verdreckte die Straßen, streunende Katzen wühlten im Abfall und fauchten die Gestalt vor ihm an. Diese ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern ging schnellen Schrittes weiter, Kopf und Schultern gesenkt.
    Was, wenn das eine Falle war und der Kerl verfolgt werden wollte?
    Nein, ich ziehe das jetzt durch! Diesmal würde ihn seine Angst nicht von seinem Vorhaben abbringen und irgendwie machte dieser Mann, o der was auch immer das war, keinen bedrohlichen Eindruck auf ihn, sondern eher einen unglückliche n.
    Mittlerweile schmerzte seine Hand, die den Kerzenständer hielt. Welch lächerliche Waffe. Falls es sich bei dem Unbekannten um einen Dämon handelte, konnte David gegen ihn schwer etwas ausrichten. Hätte er doch seine wenigen magischen Fähigkeiten besser im Griff! Aber was konnte er schon Großartiges, außer ein wenig Licht hexen oder einen einfachen Suchzauber anwenden – nützlich, wenn er seinen Lieblingsstift verlegte. Das war nichts, womit er sich verteidigen konnte.
    Abrupt hielt er an, als die Gestalt vor den Toren einer Kirche stehen blieb. Das Gotteshaus sah nicht besser aus als die anderen Gebäude dieses Viertels: verlassen und heruntergekommen. Ein Flügel der Doppeltür hing halb aus den Angeln, Putz war abgebröckelt, zwei Fenster zerbrochen.
    Der Fremde schlüpfte hinein und war aus Davids Sichtfeld verschwunden. Er kannte die Kirche nicht. Seine Familie war nie in die Kirche gegangen, nur mit Mutter hatte er einmal einen Gottesdienst besucht. Vater und Granny glaubten nicht an Gott. Die Kirche vertrat andere Ansichten. Ihrer Meinung nach war Magie das Werk des Teufels, weshalb sich alle innerhalb der Magiergilde in der Öffentlichkeit zurückhielten und ein normales Leben führten. Immerhin lagen die Hexenverbrennungen noch nicht ewig zurück.
    Vater hatte jedoch geglaubt, Magie wäre Wissenschaft, Wissenschaft war Fortschritt und Fortschritt konnte nichts Schlimmes sein.
    David war nie auf di e geheimen Tr effen gegangen. Er war ohnehin nicht wirklich einer von ihnen. Granny hingegen schon. Sie hatte ihn auf dem Laufenden gehalten. Aber seit ein paar Monaten besuchte sie die Versammlungen nicht mehr. David befürchtete, sie würde nicht mehr lange leben.
    Und was war dann? Er wäre allein.
    Er wartet dort drin auf dich, um dich zu töten … , spukte es durch sein Gehirn. David sah die aufgerissenen, toten Augen seiner Eltern. Er erblickte sie oft, wenn er die Lider schloss. Wie damals fürchtete er auch jetzt nicht den Tod als solches, sondern einen schmerzhaften Tod. Hoffentlich ging es schnell.
    Er war ein Jammerlappen … Es wäre nichts verloren, wenn sein Leben heute ein Ende nahm. Außer Granny würde ihn niemand vermissen.
    David gab sich einen Ruck und folgte dem Wesen in das düstere Gebäude. Innen war es dunkel und totenstill.

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