Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
Funden aus dem alten Israel wird sie als Jahves Aschera bezeichnet. Hatte Gott, dieser Einzelgänger und Sonderling, tatsächlich eine Frau, eine Geliebte oder Freundin? Jedenfalls ging die Priesterschaft hart zu Werke, um diese heidnische Himmelskönigin zu beseitigen. Im Alten Testament wird sie immer wieder zu den Abgöttern gezählt, die vernichtet werden müssen. Weder starke Frauen noch konkurrierende Götter fanden in dem aufkeimenden Judentum Platz. Priester und Prediger unterdrückten die Frauen. Deshalb freue ich mich über die Theorie, dass die Göttinnen in der Heiligen Dreieinigkeit weiterleben, denn die Gnostiker meinten, dass mit Vater und Sohn und Heiliger Geist nichts anderes gemeint war als: Vater, Sohn und Mutter . Geist ist auf Hebräisch weiblich. Aber die höchste Wertschätzung hat die Frau im Katholizismus erlebt. Weltweit wird die Mutter Gottes als waschechte Göttin verehrt. Die Kirche akzeptiert das widerwillig. Welch Wunder. Schließlich hat sie den Sohn Gottes geboren. Noch dazu als Jungfrau.
II
Stille.
Kein Laut, keine Stimme, kein Schritt.
Das letzte Geräusch, das ich hörte, war der Schlüssel, der die Tür verschloss. Nicht scharf und kurz wie bei modernen Schlössern, sondern klirrend und mit dem typischen mechanischen Klicken.
Ich saß auf dem Bett. Was sollte ich sonst tun? Ziellos blätterte ich durch die abgegriffene Bibel. Wer hatte sie vor mir gelesen? Wie lange hatte die Person in dieser Zelle in der Tiefe des Vatikans gehockt?
Ich dachte an die kleinen Dinge. Die ebenso wichtig sind. Die ganz kleinen Dinge … Den Geruch eines zertretenen Wurms an einem Regentag. Das Glitzern der Sonne in den Wassertropfen auf einem Spinnennetz. Das Brennen einer sonnengewärmten Luftmatratze auf nasser Haut. Das Kitzeln ganz hinten im Hals, wenn man zu viele Kokosteilchen gegessen hat. Man darf die kleinen Dinge nicht vergessen.
III
Als die Tür geöffnet wurde und der Kardinal in der Türöffnung stand, lag ein seltsamer Schleier über seinen Augen. Ich erkannte ihn wieder, aber er war nicht derselbe.
»Ich habe Ihnen etwas mitgebracht«, sagte er.
Es war seine Stimme, aber trotzdem stimmte irgendetwas nicht.
Draußen im Gang sah ich zwei der schwarz gekleideten Männer. Fürchtete er wirklich, dass ich ihn übermannen und allein den Weg aus diesen Katakomben in die Freiheit finden würde?
Er reichte mir eine Kopie des Briefes von Nostradamus an Cosimo de’ Medici, die ich zögernd entgegennahm.
»Sehen wir mal, wer von Ihnen zuerst fertig wird«, sagte er.
»Wer von Ihnen ?«
»Ja, Sie oder Professor Moretti.«
»Zuerst fertig ?«
»Mit der Dechiffrierung der Codes. Legen Sie los, ich will wissen, was da steht.«
»Ich bin nicht der Richtige dafür. Das habe ich doch schon gesagt.«
»Verstehen Sie denn nicht, dass das zu Ihrem eigenen Besten ist?«
Es war, wie mit einem Betrunkenen zu reden. Er hörte nicht zu, verstand nicht, befand sich in einer Welt, zu der niemand sonst Zutritt hatte. Ich weiß, wovon ich rede. So ging es mir auch, als ich in der Klinik war. Erst jetzt wurde mir klar, warum er anders wirkte. Ich hätte die Signale gleich erkennen müssen. Den verschleierten Blick, die aufgeschwemmte Haut des Gesichts, die Ringe unter den Augen und die so müde wirkende Zunge.
Der Kardinal stand unter dem Einfluss von Medikamenten.
Er musste meinen musternden Blick bemerkt haben. Plötzlich sah er auf. »Vielleicht haben Sie ja langsam mal verstanden, wer ich bin? Mein Name ist Maximo Romano. Ich bin Kardinal in pectore des heiligen Ordens der rechtmäßigen Diener Jesu, besser bekannt unter dem Namen Vicarius Filii Dei.«
Er sprach mit einer gravitätischen Selbstverständlichkeit. Vicarius Filii Dei – der Orden, von dem sowohl Piero Ficino als auch Bernardo Caccini gesprochen hatten.
»Seit fünfhundert Jahren sind die Vicarius Filii Dei die geheimen Soldaten des Papstes«, sagte der Kardinal. »Unsere tapferen Kriegermönche haben für den Heiligen Vater viele gefährliche Aufträge ausgeführt.«
Das SEK des Vatikans, dachte ich.
Pause. Er atmete schwer durch die Nase.
»Wissen Sie, wer Giovanni Battista Gastone war?«
»Er gilt als der letzte Medici.«
»Beeindruckend, Beltø. Aber eine eher traurige Geschichte über den menschlichen Verfall. Er wurde 1671 als Sohn von Cosimo III . de’ Medici und Prinzessin Marguerite Louise d’Orléans von Frankreich geboren. Um die Allianz der Mächte zu stärken, wurde er mit einer reichen Witwe verheiratet.
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