Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
Anna Maria Franziska. Ein widerwärtiges Frauenzimmer. Unangenehm, boshaft, dominant, hässlich und extrem fett. Giovanni verabscheute sie vom ersten Moment an. Sie behauptete im Gegenzug, Giovanni sei impotent und untauglich im Bett. Es kam, wie es kommen musste. Sie bekamen keine Kinder, und Giovanni wurde apathisch und depressiv. Auch wenn er bis zu seinem Tod Regent über die Toskana war, lebte er ein bedauernswertes Leben. Und als er entschlief, starb mit ihm das stolze Geschlecht der Medici aus.«
»Danke für die Vorlesung.«
»Aber … 1724 bekam er einen Sohn mit einer genuesischen Adeligen. Ich will mich kurz fassen. Dieses uneheliche Kind wurde der Stammvater der stolzen genuesischen Familie Romano.«
»Lassen Sie mich raten: Sie sind sein Nachfahre?«
»Ja, ganz richtig: Jetzt bin ich der letzte Medici.«
IV
Um ganz ehrlich zu sein, ich habe Probleme mit Stammbäumen.
Beginnen wir mit der Bibel. Ja, warum nicht? Matthäus und Lukas vollbringen beide das Meisterstück, Marias Ehemann Josef dem Königsgeschlecht zuzuordnen und seine Ahnen bis zu König David zurückzuverfolgen. So erfüllen sie das im Alten Testament gemachte Versprechen eines Messias, eines gesalbten Königs aus dem Geschlechte Davids. Aber Moment mal! Wenn uns Josef und Maria nichts verschwiegen haben, war Josef gar nicht Jesu Vater. Was sollen dann diese erdichteten Familienbande von Jesu Stiefvater – wo der eigentliche Vater doch Gott ist?
Der letzte Medici? Wenn Giovanni Gastone 1724 ein uneheliches Kind hatte, wie viele Nachkommen dieses Kindes gab es dann heute? Dreihundert? Hunderttausend? Und Maximo Romano behauptete nun, der letzte Medici zu sein? Aber wegen mir durfte er seine irrwitzigen Wahnvorstellungen ruhig behalten.
Als er kurz darauf wieder ging, hatte er mir die Kopie des Briefes, einen linierten Block und ein paar Kugelschreiber gegeben.
»Und wie lange wollen Sie mich hier gefangen halten?«, rief ich ihm nach.
Er blieb in der Tür stehen, drehte sich noch einmal um und sah mich mit gerunzelter Stirn an.
»Ich dachte, das hätten Sie verstanden«, sagte er.
»Wie lange?«
»Bis Sie den Code gelöst haben.«
V
Ein Gefängnis kann physisch sein, ebenso gut aber auch psychisch. Die Gefangenschaft ist eine Probe, eine Herausforderung. Ich verstehe nicht, wie es Leute schaffen, in Gefangenschaft so lange durchzuhalten. Nelson Mandela saß 27 Jahre im Gefängnis, 18 davon auf Robben Island. Der Mann mit der eisernen Maske war 34 Jahre lang in Gefangenschaft, viele davon in einer Zelle in dem Fort auf der Île Sainte-Marguerite vor Cannes. Wie hat er die Jahre in seiner engen Isolation überstanden? In einer Zelle werden aus Minuten Stunden und aus Tagen Jahre. Ich muss gegen Klaustrophobie ankämpfen, gegen Panikattacken, gegen die Überzeugung, gleich keinen Sauerstoff mehr zu haben.
Wie lange wollen sie mich hier festhalten?
VI
Hinter einer verschlossenen Tür vergeht die Zeit langsamer.
Eine Glocke zerlegt die Zeit und misst die Minuten. Aber die Zeit ist keine gegebene Größe. Sie kann unendlich langsam, aber auch schrecklich schnell vergehen. Die Relativitätstheorie hat sicher eine Erklärung dafür.
In der Zelle im Keller des Vatikans jedenfalls verging die Zeit langsam.
In der Ferne waren gedämpfte, dumpfe Laute zu hören. Unwirklich. Als erreichten sie meine Gehörgänge aus einer anderen Zeit, einer anderen Dimension.
Es roch unbestimmbar und irgendwie säuerlich. Das Aroma der Zeit? Abgestanden. Stein, Zement und Putz, das Holz der Tür, Feuchtigkeit und Furcht.
Abwechselnd auf dem Bett liegend und sitzend, ließ ich meinen Blick durch die Zelle schweifen und suchte nach etwas, worauf ich meinen Blick heften konnte.
Die Tür. Dick und solide. Oben rund. Das Schlüsselloch umgeben von Schmiedeeisen. Die Klinke aus Eisen.
Die einfache, grauweiße Kommode hatte zwei Türen und zwei Schubladen.
Ein Nachttischchen in der gleichen charakterlosen Farbe wie die Kommode.
Die Bibel. Schwarz, mit der golden geprägten Schrift La Sacra Bibbia .
Das Kruzifix. Blank. Aus Silber. Ganz oben mit dem INRI -Ornament:
IESVS-NAZARENVS-REX-IVDAEORVM.
Jesus von Nazareth, König der Juden.
Am Kreuz ein leidender Jesus mit Lendenschurz. Der Körper in Goldtönen mit blutenden Wunden. Eli, Eli, lama asabtani?
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
VII
Ich musste eingenickt sein. Ich lag auf dem Bett, beide Füße auf dem Boden.
Wie lange haben sie vor, mich hier
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