Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
loyaler Katholik, sagen Sie? Das wollte er alle glauben machen, weil er auf die Unterstützung der Kirche und des Papstes angewiesen war. Darum unterstützte er auch offiziell den Papst. Aber in der französischen Nationalbibliothek gibt es eine Sammlung von 51 lateinischen Briefen 2 zwischen Nostradamus und seinen Kunden. Die Briefe decken auf, dass Nostradamus insgeheim Sympathien für den Protestantismus und Martin Luthers Ideen hegte.«
»Sie sind nicht bereit, Ihren Geist den guten Auslegungen von Nostradamus’ Texten zu öffnen!«, protestierte Garbi. »Wie erklären Sie sich dann, dass Nostradamus seinen eigenen Tod vorhergesagt hat?«
»Was ist daran schwer?«
»Er hat seinen eigenen Tod detailliert vorhergesagt – lange bevor er eintraf.«
»Hat er das? In seinen letzten Lebensjahren war er krank und angeschlagen. Er litt an Ödemen – Wasseransammlungen im Gewebe – und an Gicht. Sehr schmerzhaft. Und tödlich. Er musste kein Hellseher sein, um zu verstehen, wohin das führen würde.«
»Aber er hat das Datum seines Todes vorhergesagt!«
»Und lag anderthalb Jahre daneben.«
Dino Garbi schwieg.
Professor Moretti fuhr fort: »Nostradamus hat vorhergesagt, dass er im November 1567 sterben würde. Tatsächlich gestorben ist er im Juli 1566.«
»Siebzehn Monate sind doch nicht die Welt …«
»Und er hat mit anderen Zeitangaben noch sehr viel weiter danebengelegen. In einem Brief der französischen Königin Katharina de’ Medici an ihren Patenonkel schrieb sie: ›Nostradamus hat meinem Sohn, dem König, ein ebenso langes Leben vorhergesagt wie Euch, die Ihr Euer neunzigstes Jahr noch erleben werdet‹. Der Sohn, Karl IX., starb 1574, einen Monat vor seinem vierundzwanzigsten Geburtstag. Da lag Nostradamus 66 Jahre daneben.«
Garbi wollte gerade etwas entgegnen, als er vom Geschäftsführer des Kulturzentrums, Fabiano Silor, unterbrochen wurde. Ich hatte ihn beim Einchecken kurz gesehen. Er kam auf uns zu und winkte dem Professor und Angelica zu. Silor war ein großer Mann mit Spitzbart und nervöser Mimik und hätte ohne Weiteres einer Geschichte Dickens’ entsprungen sein können.
»Fabiano?«, sagte Angelica überrascht.
Silor schlug die Hände zusammen.
»Was ist los?«, fragte Professor Moretti.
»Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll! Es wurde eingebrochen!«
»Wo?«
»Es ist mir so schrecklich unangenehm. In Ihrem Zimmer!«
IV
In Zimmer 218 herrschte das reinste Chaos.
Professor Morettis und Angelicas Kleider lagen auf dem Boden verstreut. Das Bettzeug war heruntergerissen, die Koffer ausgeleert und in die Ecke geworfen worden. Die Matratzen umgedreht. Kommodenschubladen und Schranktüren aufgerissen.
Angelica zeigte auf eine Aktenmappe aus gelber Pappe, auf der mit dickem Filzschreiber geschrieben stand:
Vorträge
Nostradamus & Medici
Professor Moretti schlug die Mappe auf. Leer. Verwirrt sah er seine Frau an, die nervös an ihrer Zigarette sog.
»Jemand hat meine Vorträge gestohlen. Meine Notizen. Auszüge aus dem Nostradamusbrief. Wieso? Was wollen sie damit? Sie hätten mich doch nur fragen müssen.« Der Professor sah sich verzweifelt um und breitete die Arme aus. »Der Laptop! Weg! Ohne Laptop bin ich aufgeschmissen. Dort sind all meine Aufzeichnungen, die Kopien des Briefes und die Texte gespeichert. Alles!«
1 Le sang du iuste à Londres fera faute
Bruslés par fouldres de vint trois les six.
La dame antique cherra de place haute:
De mesme secte plusieurs seront occis.
Les Prophéties (1555, 2. Aufl.), Centurie 2, Strophe 51.
2 Bibliothèque Nationale MS Lat. 8592.
K APITEL 3 Die Entführer
F LORENZ,
M ONTAGMORGEN
I
Ich war zwölf Jahre alt, als mein Vater starb. Er ist an einer Felswand abgestürzt.
Papas Dämonen hatten an den Sicherungen herumgespielt. Mit einem Schrei, der noch immer durch meinen Kopf hallt, stürzte er in den Abgrund. Es ist nicht schwer, sich das vorzustellen. Er stürzte vierzig Meter tief und landete auf einer Steinhalde.
Ich habe seinen Schrei all die Jahre, die seitdem vergangen sind, in mir getragen.
Davon habe ich schon früher erzählt, ich weiß. Ich bin die ganze Geschichte auch langsam leid und werde mich deshalb kurz fassen. Mama hatte etwas mit Papas bestem Freund. Später, als Papa tot und begraben war, hat sie diesen Mann geheiratet. Sehr romantisch. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Es gibt immer andere Geschichten, ein Danach, wenn ein Buch ausgelesen oder ein Film zu Ende ist. Es geht immer irgendwie
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