Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
Zeichen nicht erkannt haben. Alle Zeichen der Endzeit sind da.
Draco weiß alles über den Tag des Jüngsten Gerichts, sagt der Kardinal wie ein stolzer Vater.
Und Sie wollen jetzt die Bundeslade finden, weil Sie glauben, das Ende der Welt stünde bevor? Dass Sie das Jüngste Gericht heraufbeschwören können, wenn Sie die Bundeslade finden und Ihre Befehle direkt von Gott entgegennehmen? Das hört sich so wahnwitzig an, dass … Er schüttelt den Kopf, vollendet den Satz nicht.
Sie haben fünf Tage, sagt Draco.
Fünf Tage?
Fünf Tage, wiederholt der Kardinal.
Hören Sie! Alan Turing und sein Team in Bletchley Park haben Jahre gebraucht, um den Enigma-Code zu knacken. Und ich soll in fünf Tagen alleine einen fünfhundert Jahre alten Code entziffern? Alte Chiffren lassen sich nicht mal eben so auflösen. Das ist eine enorme Arbeit, die Wochen, ja, Monate in Anspruch nehmen kann. Selbst wenn ich wollte, würde ich es in so kurzer Zeit nicht schaffen. Nicht in fünf Tagen. Aber die Zeitfrage ist unwesentlich. Weil ich nicht will. Kommt nicht in Frage.
Professor, bei allem Respekt. Enigma war ein extrem komplizierter Code. Nostradamus verfügte weder über das technische Werkzeug noch über das Wissen, um eine komplexe Chiffrierung von diesem Schwierigkeitsgrad zu entwickeln. Wir wissen beide, dass Sie durchaus imstande sind, alte, primitive Codes zu dechiffrieren.
Und trotzdem braucht das Zeit. Viel Zeit. Aber das ist unwesentlich. Ich will nicht.
Der Wille , sagt der Kardinal, ist niemals unbeugsam. Wir haben damit gerechnet, dass Sie nicht kooperieren wollen. Aber natürlich werden Sie Ihre Meinung ändern.
Das habe ich nicht vor.
Dieser Stolz …
Vergessen Sie es.
Mein lieber Professor Moretti, ich bin nicht Ihr Feind, ich …
Nein, sage ich!
Professor, sagt Draco mit sarkastischem Unterton. Wie weit würden Sie gehen für Ihren Stolz, Ihre Integrität, Ihre Unabhängigkeit, Ihr querköpfiges Verhalten?
Dieser Ton … In Lorenzo spannt sich etwas an.
Draco verlässt den Raum. Lorenzo und der Kardinal warten schweigend. Sie sehen sich an.
Die Tür geht auf. Draco kommt zurück. Er schiebt einen kleinen Jungen vor sich her in die Zelle.
Silvio.
II
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FLORENZ
MONTAGVORMITTAG – NACHMITTAG
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Die auf den Tod harren,
und er kommt nicht, die nach ihm graben,
mehr als nach Schätzen
HIOB
Der Tod überfalle sie!
Mögen sie lebendig
zur Unterwelt fahren!
PSALMEN
K APITEL 4 Das Gebet
F LORENZ,
M ONTAGVORMITTAG
I
Mein Fach ist die Archäologie. Die Lehre vom Alten. Von allem, was Wert hat. Und von allem, was uns das Gestern lehren kann. Wenn wir in der Bruthitze sitzen und uns durch die Kulturschichten graben – ein gelehrtes Wort für Erde, Lehm, Steine und Pferdemist –, suchen wir nicht in erster Linie nach Pfeilspitzen, Broschen, Knochenkämmen und alten Münzen. Wir suchen nach unserer eigenen Geschichte. Danach, wer wir waren. Wer wir sind.
Was ist Zeit? Mir wird ganz schwindelig, wenn ich darüber nachdenke. Zeit ist eine Hummel, die durch die Geschichte fliegt. Eine Fliege, die gegen das Küchenfenster stößt. Ein Kind, das geboren wird, oder ein Alter, der stirbt. Die Archäologie ist der eitle Versuch, den Lauf der Zeit anzuhalten. In Vergangenes hineinzuschauen. Archäologie und Psychologie hängen auf bemerkenswerte Weise zusammen. Der Psychologe gräbt im Hirn, denn auch der Geist des Menschen ist voller Pfeilspitzen, Broschen, Knochenkämme und Münzen. Verborgene Schätze und Alltagsgegenstände. Halb vergessene Erinnerungen. Und das eine oder andere, von dem man sich gewünscht hätte, es wäre nie wieder an die Oberfläche gekommen.
Wir haben alle unsere kleinen schmutzigen Geheimnisse, von denen wir nicht wollen, dass jemand sie ans Licht zerrt und ruft: »Seht her, was ich gefunden habe!«
II
Nicht meine Sache. Wirklich nicht. Nein.
Die Bundeslade? Die Steintafeln mit den Zehn Geboten? Das Buch der Weisen ? Das Amulett von Delphi? Die Bibliothek des Teufels? Ha, ha. Nein, vielen Dank! Das ist nichts für mich. Danke der Nachfrage. Über die Jahre bin ich schon in zu viele Unannehmlichkeiten hineingeraten. Irgendwann reicht es. Spätestens dann, wenn uniformierte Männer mit Maschinenpistolen in einem Helikopter eingeflogen werden. Wenn professionelle Kidnapper eine militärische Kommandoaktion ausführen, um einen Professor mit Fachgebiet »Mittelalterliche Manuskripte« zu entführen.
Dann bin ich der Letzte, der
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