Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
links!«
Ich fuhr an einem unsicheren Fahrradfahrer vorbei und umkurvte ein paar Mülltonnen, die gefährlich weit auf der Straße standen.
»Links!«
Hinter uns hörten wir eine Autohupe und wütende Stimmen. Der Chevrolet hatte den Fahrradfahrer gestreift. Und die Mülltonnen.
»Glaubt die Polizei uns nicht?«, fragte ich.
Ich streifte ein abgestelltes Moped, dessen Anhänger vollgepackt war mit Melonen. Der Besitzer – ein Kerl mit Hut und Bierbauch – fluchte mir mit geballter Faust hinterher.
»Das war ein totaler Vollidiot!«, schimpfte Angelica. »Als wären wir die Hauptverdächtigen.«
»Wir?«
»Er hat uns aufgefordert, uns unmittelbar auf der Hauptwache einzufinden.«
Ich bin ein gesetzestreuer Mann. Mein normaler Reflex wäre gewesen, der Polizei zu gehorchen. Nicht nur, um bei den Ermittlungen behilflich zu sein, sondern auch, weil eine Flucht häufig wie ein Schuldeingeständnis wirkt. Andererseits lag es auf der Hand, dass wir keine Vorteile von einem Besuch bei der Polizei haben würden. Die zwei oder drei Tage, die sie brauchen würden, um unsere Unschuld zu erkennen, durften wir nicht verlieren. Jetzt war es definitiv das Wichtigste, Professor Moretti und Silvio zu finden.
»Rechts!«, rief Angelica.
»Wirklich?«
»Rechts!«
Ich steuerte Bolla in einen schmalen Spalt. Der rechte Außenspiegel schrappte an der Hauswand entlang und brach ab. Der Chevrolet musste eine Vollbremsung machen, um die Kurve überhaupt zu schaffen. Der breite Wagen setzte zurück und klappte die Außenspiegel an. So gewannen wir ein paar wertvolle Meter. Die nächste Gasse war lang und schmal und mündete wenige hundert Meter vor uns auf eine stark befahrene Straße. »Nach links! Und dann da in die Garage, hinter dem Fiat!«
Ich hatte keine Zeit zu fragen, sondern fuhr durch das offen stehende Garagentor. Ich ließ das Bremspedal los, damit die Rücklichter uns nicht verrieten. Gleich darauf bogen die Entführer um die Ecke. Der Fahrer musste glauben, dass wir es bis zur Hauptstraße geschafft hatten. Der Chevy rollte schwarz glänzend vorbei.
K APITEL 8 Das Zimmer
F LORENZ,
M ONTAGABEND
I
Wir blieben fünf Minuten in der Garage stehen, bevor ich es wagte, wieder herauszufahren. Ich wurde das Bild von Regina auf ihrem Bett nicht los. Nackt und tot, unendlich blass. Das unschuldige Opfer einer unsäglichen Bosheit und Brutalität. Trauer, Angst und Verwirrung lähmten mich geradezu.
Statt über die Hauptstraße zu fahren, schlichen wir durch die Labyrinthe und kleinen Gässchen von Florenz. Angelica kannte sich aus wie in ihrer Westentasche. Bei einem Hotel nicht weit vom Arno entfernt fuhren wir auf den Hinterhof und parkten auf einem Platz, der laut Schild für den Hoteldirektor reserviert war. Er war ein Freund von Angelica. »Jemand, dem ich vertraue«, versicherte sie mir. Sie ging durch eine Hintertür und blieb ziemlich lange weg. Als sie endlich zurückkam, reckte sie den Daumen in die Höhe. »Eigentlich ist das Haus voll«, sagte sie. »Wie die ganze Stadt. Aber sie haben uns trotzdem noch ein Zimmer organisieren können.«
Ein Zimmer?
Ein Zimmer?
II
Ein kleiner Raum mit Doppelbett, zwei Nachttischchen, einer Kommode, einem Stuhl und einem Fenster zum Hinterhof. Als wir unsere Koffer abgestellt hatten, war es eigentlich voll.
»Mein Gott, Bjørn!«, flüsterte Angelica. »Mein Gott!«
In ihrem Blick las ich die Verwirrung über den Tod von Regina Ferrari, die Entführung ihres Ehemanns und Sohns, ja, über die gesamte unglückselige Situation. Persönlich war ich – trotz des Schocks über Reginas Schicksal – erfüllt von einer nervösen Unruhe, bald ein nicht allzu breites Doppelbett mit Angelica Moretti teilen zu sollen.
Die Fragen türmten sich in mir auf, füllten meinen Kopf und summten wie aufgescheuchte Fliegen durch mein Hirn. Wer hatte Angelicas Mann und Sohn entführt und dann auch noch Regina Ferrari getötet? Und nicht zuletzt: Warum? Hatten sie versucht, ihr irgendwelche Informationen zu entlocken? Oder hatten sie sie getötet, damit sie ihr Wissen nicht mit uns teilen konnte? Gab es hier in Italien einen Mönchsorden, der das Blut anbetete und den rituellen Aderlass zu seinen Sakramenten zählte? Wo war die Verbindung zu Nostradamus? Und den Medici? Angelica und ich tauschten Fragen und Gedanken aus, ohne weiterzukommen. Angelicas Handy klingelte unablässig, bis sie es irgendwann abschaltete. Während wir redeten, kam Angelicas Freund, der Hoteldirektor, und brachte uns
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