Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
zwei Omeletts und eine Flasche Wein. Nachdem er gegangen war, aßen wir schweigend auf dem Bett. Ein Bett für Ehepaare und Liebespaare. Angelica stellte das Tablett auf den Flur und sah zu mir hinüber. Dieser Blick … Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ohne jede Vorwarnung brach sie in Tränen aus. Sie schluchzte wie ein verwundetes Tier. Ich kannte dieses Schluchzen aus der Nervenklinik. Es hinterließ Kratzspuren in der Seele. Irgendwann verstummte sie ebenso plötzlich, wie sie zu weinen begonnen hatte. Sie saß still da und zitterte.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte ich schließlich. Weil man so etwas fragt. Weil man etwas sagen musste. Dabei kannte ich die Antwort.
»Danke«, murmelte sie. »Es geht schon.«
Aber das tat es nicht. Und es nützte absolut nichts, dass ich hier saß und ihr über den Rücken streichelte.
In der Handtasche fand sie die Schachtel mit ihren Zigaretten.
»Silvio ist doch noch ein Kind«, sagte ich. »Sie werden ihm bestimmt nichts tun.«
Sie musste ihre zitternde Hand mit der anderen festhalten, um sich die Zigarette anzuzünden.
»Sie haben Ihren Mann gekidnappt, weil sie ihn brauchen. Und Ihren Sohn, um ihn unter Druck zu setzen. Aber sie werden keinem von beiden etwas antun. Damit würden sie überhaupt nichts erreichen.«
Ich schämte mich. Das waren nichts als Worte. Leere Worte. Mehr hatte ich nicht zu bieten.
»Angelica«, fuhr ich schließlich fort, »glauben Sie, dass uns der Nostradamus-Experte helfen kann, den wir gestern an der Bar getroffen haben?«
»Dino Garbi? Vergessen Sie’s, das ist ein Scharlatan!«
»Sie haben gestern noch einen anderen Namen genannt. Lang und kompliziert. Jemand, der in Nostradamus’ Heimatstadt wohnt.«
»Theo? Da sagen Sie was … Theophilus de Garencières. Er weiß mehr über Nostradamus als jeder andere, aber ich kenne ihn nicht persönlich. Lorenzo kennt ihn. Theo betreibt ein eigenes Forschungszentrum über Nostradamus. Er ist überzeugt von Nostradamus’ seherischen Fähigkeiten.«
»Lassen Sie uns zu ihm fahren!«
»Er wohnt in Frankreich.«
»Umso besser. Dann kommen wir hier weg.«
»Aber Theo weiß bestimmt nichts über das hier …«
»So dürfen wir nicht denken, Angelica, das bringt uns nicht weiter. Wir müssen wie Archäologen denken. Wie Detektive der Geschichte. Wir müssen Informationen sammeln. Aus unterschiedlichen Quellen. Mit Menschen reden, die uns weiterhelfen können. Die kleinste Information kann wertvoll sein. In der Summe können diese Informationen zu einem besseren Verständnis führen. Im besten Fall zu den Entführern und zu Lorenzo und Silvio.«
»Jetzt, wo Sie es sagen, kommt mir in den Sinn, dass Lorenzo Theo bei nächster Gelegenheit besuchen wollte. Theo wollte ihm etwas zeigen.«
III
Schlafenszeit.
Angelica ging zuerst ins Bad. Sie brauchte eine Ewigkeit. Erst duschte sie. Dann machte sie sich zurecht. Ich sah das Ritual in Gedanken vor mir. Zähneputzen, Abschminken, Nachtcreme, Haare bürsten. Gott weiß, was alles dazugehört, damit eine Frau gut und ohne die Angst schlafen kann, im Laufe der Nacht einzutrocknen.
Während sie im Bad war, rief ich Piero Ficino an und fragte ihn, ob er sich die drei Chiffren notiert habe, die Professor Moretti vorgestellt hatte. Das war nicht der Fall. Ich setzte mich mit meinem iPad aufs Bett und versuchte herauszufinden, ob es eine Verbindung zwischen den Drăculsângeern und italienischen Mönchsorden gab. Durch die Geschichte ziehen sich die wunderlichsten roten Fäden. Ich fand nicht mehr als eine obskure Webseite über religiöse Konspirationstheorien. Auf dieser Seite wurde aber auf ein Dokument verwiesen, das 1865 in einem Schlossarchiv in Navarra in Spanien gefunden wurde und in dem von einem heimlichen Konzil die Rede war, das 1540 zwischen den Drăculsângeern, der Societas Jesu – also den Jesuiten – und einem Orden namens Vicarius Filii Dei abgehalten wurde. Alle weiteren Verweise auf die Vicarius Filii Dei mündeten in neuen Konspirationstheorien oder Behauptungen, dass der Orden entweder fiktiv oder schon vor Hunderten von Jahren aufgelöst worden sei. Im Corpus Iuris Canonici , einer Sammlung zum römisch-katholischen Kirchenrecht, fand ich einen Hinweis auf den Orden. Der Begriff tauchte auch in dem falschen römischen Kaiserdekret bekannt als Konstantinische Schenkung auf. Mit diesem umstrittenen Dokument wurde dem Papst nicht nur angeblich die Macht über Rom übertragen, sondern über große Teile des römischen Reichs.
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