Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
In dem Text wurde Petrus persönlich als Vicarius Filii Dei bezeichnet – als Stellvertreter des Sohnes Gottes. Die ersten Protestanten nutzten den Text und den Begriff, um den Nachweis zu erbringen, dass der Papst der Antichrist sei. Indem er Jesus verhöhne und seinen Platz hier auf Erden einnehme, wolle der Antichrist die Prophezeiungen der Bibel erfüllen und damit das Ende einläuten, argumentierten sie. Armageddon. Das Jüngste Gericht. Und dieser Antichrist – glaubten die führenden Protestanten im 16. Jahrhundert – sei kein Geringerer als der Papst persönlich. Das Oberhaupt der katholischen Kirche. Jedenfalls war der Orden Vicarius Filii Dei irgendwo im Niemandsland zwischen organisierter Religion und Aberglaube anzusiedeln. Verirrte Lämmer … Verstanden sie nicht, dass Gott nicht zu fassen war? Die Bundeslade war ein Bild für Gottes Nähe – kein Gegenstand. Sonst hätte man sich genauso gut auf die Suche nach dem Garten Eden machen können. Oder im Einwohnermeldeamt nach Adam und Eva suchen können. Sollte der geldverliebte französische Pestarzt und Seher Nostradamus mit einem Mal ein Auserwählter Gottes sein – ein Prophet auf einer Stufe mit Moses und Hesekiel, Samuel und Johannes dem Täufer? Niemals. Es musste eine andere Erklärung geben.
Als Angelica aus dem Bad kam, trug sie ein attraktives Nachthemd und duftete nach allerlei Cremes. Um die Haare hatte sie sich ein Handtuch gewickelt. Ich wusste nicht, wohin ich meinen Blick richten sollte.
Mein eigenes Abendritual war nüchtern, kurz und wenig spannend. Ich ging aufs Klo, duschte und putzte mir die Zähne. Und das war’s. Ich hatte nicht einmal einen Pyjama dabei, war ich doch nicht im Traum auf die Idee gekommen, in dieser Nacht mit einer Frau in einem Hotelzimmer landen zu können.
Zum Glück hatte Angelica bereits das Licht ausgemacht, als ich aus dem Bad kam. Ich legte Hose und Hemd über einen Stuhlrücken und schob mich in den Umschlag aus straffen Decken und Laken.
Stille.
Mein Herz hämmerte wie wild.
Ich lag regungslos da, die Arme dicht am Körper, damit ich sie nicht versehentlich anstieß.
Stille.
Wir lagen schweigend im Dunkeln, beide mit klopfendem Herzen, weil wir wussten, wie nah wir einander waren.
Ich mag Frauen, und einige wenige Frauen haben mich geliebt. Eine Weile. Vermutlich war ihre Fürsorge größer als die Anziehungskraft, die von mir ausging. Die Hingabe größer als das Begehren. Ich wecke die Mutterinstinkte in ihnen. Süßer, kleiner Bjørn. Ich selbst verliebe mich immer in die falschen Frauen. In Frauen wie Angelica, als wünschte ich mir unbewusst, abgewiesen zu werden.
Ich spürte die Wärme ihres Körpers, ließ mich von ihr einhüllen. Ich stellte mir ihre Brüste vor, ihre Schenkel, das Grübchen, wo Nacken und Schultern ineinander übergehen, die Ellenbeugen, den weichen Bauch, den Nabel, die Hüften, den Po, die Knie, Beine und Füße – ich sehnte mich danach, den mir so nahen Körper zu küssen. Ich atmete kurz und hektisch.
»Müde?«, fragte Angelica.
Ich antwortete nicht, mein Herz hämmerte wild, und ich hatte keine Kontrolle mehr über Atem oder Stimme. War das eine Einladung? Müde? Wollte sie, dass ich mich zu ihr hinüberschob, sie umarmte und tröstete, sie zärtlich küsste und dann liebte – wenn auch nur, um die Angst für ein paar Minuten auf Abstand zu halten? Fragte sie deshalb?
Müde?
»Ein bisschen«, sagte ich atemlos.
Lügner. Ich war nicht müde. Aber es war das Einzige, das ich zu sagen wagte. Jedes weitere Wort hätte verraten, wie keuchend mein Atem ging.
Vor meinem inneren Auge sah ich ihren nackten Körper im Mondlicht, das durch die Gardinen fiel, unter dem meinen liegen.
Dann hörte ich sie Luft holen. So nah, so wunderbar nah.
»Gute Nacht«, sagte Angelica Moretti.
K APITEL 9 Theophilus
S ALON-DE- P ROVENCE,
D IENSTAGNACHMITTAG
I
Ich denke viel über die Unendlichkeit nach.
Noch so eine Wahnvorstellung, ein weiteres Beispiel für die Unzulänglichkeit des menschlichen Gehirns. Wir sind nicht in der Lage, uns die Unendlichkeit vorzustellen. Etwas, das ewig währt. Und so ist es auch gar nicht. Das unendliche Universum ist krumm. Bewegt man sich lange genug in ein und dieselbe Richtung, landet man irgendwann wieder an seinem Ausgangspunkt. Ja, aber was gibt es jenseits der Krümmung, der Unendlichkeit? Andere Universen, wie manche Physiker glauben? Oder NICHTS ? Unser Gehirn ist genauso wenig in der Lage, sich einen Begriff wie NICHTS
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