Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
Kuriosität. Ein Ritual, das man nicht zu ernst nehmen muss, aber trotzdem weiterführt. Der eine oder andere ahnt möglicherweise, dass irgendwann irgendwelche Schriften an einem geheimen Ort in der Bibliothek versteckt wurden, aber keiner weiß etwas Genaues.«
»Haben Sie nie versucht, die anderen zu finden?«
»Und ob ich das habe, aber ich kann nur raten. Alle Hüter der Schrift sind angehalten, ihr Amt geheim zu halten. Sollte ich also einem Kollegen die direkte Frage stellen, würde er sich vermutlich nicht zu erkennen geben. Nostradamus hat ausführliche Anweisungen gegeben, wie die Geheimhaltung verwaltet und erhalten werden soll. Und wenn trotzdem mal einer den Kodex brechen und verraten sollte, dass er Mitglied des Heiligen Hüterordens von Cäsars Schriften ist, wäre ich auch nicht viel klüger. Ohne Nostradamus’ Testament weiß ich nicht, wo ich nach den Truhen suchen soll. Meine Vorgänger haben über ein ausgeklügeltes System aus Codes, Chiffren, Rebussen, Metaphern und Anagrammen untereinander kommuniziert. Sie schmuggelten alle Absprachen und detaillierten Pläne mit Hilfe von Codes in Briefen und Handschriften oder gedruckten Büchern hin und her. Es war alles bis ins kleinste Detail abgesprochen und geplant. Der Lorbeerkranz war das Erkennungssymbol, mit dem Nostradamus Cosimo und den anderen Mitgliedern des inneren Kreises der Hüter der Schrift ankündigte, dass sich eine Chiffre, ein Anagramm oder eine andere geheime Botschaft in dem Text verbarg. Das ist ein wenig so, wie wenn wir heute verschlüsselte E-Mails schreiben. Für Sie, die Sie mehr oder weniger über einige dieser Codes gestolpert sind, muss das alles sehr verwirrend sein, geradezu unverständlich. Für diejenigen aber, die das System entwickelt haben, hatte es eine klare Logik. Heute sind nur noch wenige der codierten Nachrichten und Instruktionen erhalten, Bruchstücke davon.«
Bernardo Caccini ließ seinen Blick lange auf Angelica ruhen, dann sah er mich an.
»Die Information, die ich jetzt mit Ihnen teilen möchte«, sagte er, »wurde zweitausend Jahre geheim gehalten. Männer von Ehre haben ihr Leben geopfert, um sie zu schützen. Das klingt schwülstig und pompös? Mag sein. Trotzdem sind die Worte wahr.«
»Welche Information?«, fragte Angelica ungeduldig.
»Ich will Sie auf eine Reise in die Vergangenheit mitnehmen. Zurück ins alte Rom. Nach Ägypten. 1565, ein Jahr vor seinem Tod, hat Nostradamus diese Zeilen in seine eigene gedruckte Ausgabe des Almanach geschrieben:«
Und der Tag wird anbrechen,
an dem Cäsars Geheimnis
mit anderen Würdigen geteilt wird:
Die Wahrheit soll ans Licht kommen.
»Cäsars Geheimnis hat weder etwas mit dem Orakel von Delphi zu tun noch mit der Bundeslade – zwei Mysterien, denen mein Orden noch nicht ganz auf den Grund gegangen ist –, sondern mit etwas ganz anderem.«
»Was?«, fragte ich, vor Aufregung ganz kurzatmig.
»Unser Geheimnis ist der Welt heute noch genauso unbekannt wie damals im 16. Jahrhundert – und zu Cäsars Lebzeiten. Alles, was ich Ihnen jetzt erzähle, stammt aus Briefen und Dokumenten, die in der Biblioteca Medicea Laurenziana und im geheimen Archiv des Vatikans aufbewahrt werden. Aber wieso, werden Sie sich fragen, vertraue ich Ihnen das Geheimnis jetzt an? Wie unser Gründer Nostradamus in seinem Vers sagt, gibt es für alles eine Zeit. Wir waren immer davon überzeugt, dass dieser Tag kommen wird. Der Tag, an dem wir unser Geheimnis mit der Welt teilen wollen. Und diese Zeit ist jetzt gekommen. Ich habe mit meinen beiden Kollegen aus Cäsars Loge diskutiert. Wir sind uns einig, dass wir das Geheimnis lange genug bewahrt haben. Professor Moretti und Silvio wurden entführt. Zwei Menschen haben bereits mit dem Leben bezahlt. Und viele vor ihnen. Diese tragischen Einzelschicksale sind trotzdem nicht der Hauptgrund für meinen Entschluss, Nostradamus’ Worten zu folgen, indem ich das Geheimnis preisgebe. Der Hauptgrund heißt Vicarius Filii Dei . Sie betreiben ihre Endzeitsehnsucht mit einem Fanatismus, der mir Angst macht. Denn ich weiß, was dieser Orden imstande ist zu tun. Wie die Antwort al-Qaidas auf das Christentum würden sie in ihrem blinden Fanatismus schnell zum Äußersten greifen, um ihre Ziele zu erreichen. Gewalt. Terrorismus. Und was ist das Ziel von Vicarius Filii Dei? Genau, das Jüngste Gericht! Die Endzeit. Der Weltuntergang. Jesu Wiederkunft.« Pause. »Und manche Leute sind verrückt genug, das beschleunigen zu wollen. In einem
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