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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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rausgeschmissen?«
      »Nun, es kam jedenfalls einem Hinauswurf gleich. Er ist ein harter Bolzen, dieser Colonel Emsworth. Seinerzeit gab es in der ganzen Armee keinen unbarmherzigeren Schleifer. Zudem war es eine Zeit der rüden Worte. Ich hätte den Colonel nicht ertragen können, wenn es nicht um Godfrey gegangen wäre.«
      Ich zündete mir eine Pfeife an und lehnte mich im Sessel zurück.
      »Vielleicht erklären Sie einmal, wovon Sie reden.«
      Mein Klient lächelte unglücklich.
      »Sie haben mich zu der Annahme gebracht, Sie wüßten alles, ohne daß man Ihnen etwas zu erzählen braucht«, sagte er. »Aber ich werde Ihnen nun die Fakten mitteilen, und ich hoffe zu Gott, Sie wären in der Lage, mir mitzuteilen, was sie bedeuten. Die ganze Nacht habe ich wach gelegen und mir das Hirn zermartert, und je länger ich nachdenke, um so unglaublicher kommt mir das Ganze vor.
      Als ich im Januar 1901 in die Armee eintrat, vor genau zwei Jahren, kam der junge Godfrey Emsworth in dieselbe Schwadron. Er ist Colonel Emsworths einziger Sohn – von dem Emsworth, der im Krimkrieg das Victoriakreuz erhalten hat –, und Godfrey hatte das Kämpferblut seines Vaters geerbt, und da war es kein Wunder, daß er sich freiwillig meldete. Im ganzen Regiment gab es keinen feineren Burschen als ihn. Wir schlossen Freundschaft, die Art Freundschaft, die nur entstehen kann, wenn zwei dasselbe Leben führen und alle Freuden und Leiden teilen. Er war mein Kamerad, und das bedeutet viel in der Armee. In einem Jahr voll harter Kämpfe gingen wir gemeinsam durch dick und dünn. Dann traf ihn bei einem Einsatz am Diamond Hill bei Pretoria ein Geschoß aus einer Elefantenflinte. Ich bekam einen Brief von ihm aus dem Krankenhaus in Kapstadt und einen aus Southampton. Seitdem habe ich kein Wort mehr gehört – kein einziges Wort, Mr. Holmes, seit über sechs Monaten. Und er ist doch mein engster Freund.
      Als der Krieg vorbei war und wir alle zurückkehrten, schrieb ich an seinen Vater und fragte nach Godfrey. Keine Antwort. Ich wartete eine Weile und schrieb dann noch einmal. Nun erhielt ich eine Antwort, kurz und barsch. Godfrey befinde sich auf einer Weltreise, und er komme wahrscheinlich nicht vor Jahresfrist zurück. Das war alles.
      Das befriedigte mich nicht, Mr. Holmes. Die ganze Sache wirkte auf mich verdammt unnatürlich. Er war ein guter Bursche, und er würde einen Kumpel nicht einfach fallenlassen. Dann erfuhr ich zufällig, daß er einen Haufen Geld erben würde, und auch, daß sein Vater und er nicht immer allzu gut miteinander auskamen. Der alte Mann war manchmal ein Eisenfresser, und Godfrey hatte zu viel Charakter, um sich das gefallen zu lassen. Nein, ich war nicht befriedigt, und ich beschloß, zur Wurzel der Sache vorzustoßen. Es ergab sich jedoch, daß nach zweijähriger Abwesenheit meine eigenen Angelegenheiten in Ordnung gebracht werden mußten, und so kam ich erst in dieser Woche dazu, Godfreys Fall wieder aufzunehmen. Und seit ich ihn aufgenommen habe, fühle ich mich gedrängt, alles andere liegenzulassen, um ihn zu ergründen.«
      Mr. James M. Dodd schien zu der Art von Leuten zu gehören, die man besser zum Freund denn als Feind hat. Seine blauen Augen blickten streng, und seine eckige Kinnlade war beim Sprechen energisch vorgereckt.
      «Und was haben Sie unternommen?« fragte ich.
      »Als erstes wollte ich seinen Wohnsitz aufsuchen, ›Tuxbury Old Park‹ bei Bedford, und mir die Umstände einmal ansehen. Ich schrieb an die Mutter – ich hatte die Nase von dem mürrischen Vater ziemlich voll – und startete einen frontalen Angriff: Godfrey sei mein Freund, ich nähme an ihm sehr viel Interesse, wolle, ihr gern mündlich von dem berichten, was wir gemeinsam erlebt hätten, würde mich in der Gegend aufhalten, ob es Einwände von ihrer Seite gebe und so weiter. Ich erhielt eine ganz freundliche Antwort und das Angebot, mich für eine Nacht zu beherbergen. Und so bin ich denn am Montag hingefahren.
      ›Tuxbury Old Hall‹ ist fast unerreichbar, es liegt fünf Meilen von jeder Ansiedlung entfernt. Am Bahnhof fand ich keine Kutsche, so mußte ich zu Fuß gehen und meinen Koffer schleppen; und es war fast dunkel, als ich ankam. Das große Haus liegt in einem ziemlich weitläufigen Park. Mir kam es vor, als trüge es alle Zeitalter und Baustile zur Schau, angefangen bei Grundmauern aus elisabethanischer Zeit und endend bei einem victorianischen Portiko. Innen war alles voll von

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