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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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ihn entdeckt hatte, und verschwand in der Dunkelheit.
      Etwas an dem Mann erschütterte mich, Mr. Holmes. Es war nicht nur das gespenstische Gesicht, das weiß wie ein Laken in der Dunkelheit schimmerte. Es war etwas schwer Faßbares – etwas Heimliches, etwas Verstohlenes, etwas Schuldbewußtes – jedenfalls etwas, das nicht zu dem offenherzigen, männlichen Burschen paßte, den ich kannte. Das ließ in mir ein Gefühl des Entsetzens zurück.
      Aber wenn einer ein paar Jahre lang Soldat gespielt hat mit Bruder Bure als Spielgefährten, behält er die Nerven und handelt schnell. Godfrey war kaum verschwunden, als ich auch schon am Fenster stand. Es hatte einen widerwärtigen Haken, und es dauerte eine kleine Weile, bis ich das Fenster geöffnet hatte. Dann sprang ich hinaus und eilte den Gartenweg entlang, in die Richtung, von der ich dachte, er habe sie eingeschlagen.
      Der Weg war lang und das Licht nicht sonderlich gut, aber mir schien, als ob sich etwas vor mir bewegte. Ich lief weiter und rief seinen Namen, aber vergebens. Am Ende verzweigte sich der Weg in mehrere Pfade, die zu einigen Nebengebäuden führten. Während ich noch zögernd dastand, hörte ich deutlich, wie eine Tür geschlossen wurde, nicht im Haus hinter mir, sondern vor mir, irgendwo in der Dunkelheit. Das genügte, Mr. Holmes, mich zu überzeugen, daß ich etwas Wirkliches gesehen und keine Erscheinung gehabt hatte. Godfrey war vor mir weggelaufen und hatte eine Tür hinter sich geschlossen. Dessen war ich mir sicher.
      Ich konnte nichts weiter unternehmen und verbrachte eine unruhige Nacht, indem ich mir die Sache wieder und wieder durch den Kopf gehen ließ und versuchte, eine Theorie zu finden, die den Fakten gerecht würde. Am nächsten Tag fand ich den Colonel verbindlicher, und als seine Frau mir gegenüber bemerkte, es gebe im Umkreis manches Interessante zu sehen, nahm ich die Gelegenheit wahr, zu fragen, ob man meine Gegenwart unter ihrem Dach für eine weitere Nacht beschwerlich finden würde. Eine recht mürrische Einwilligung des alten Mannes verschaffte mir einen freien Tag, so daß ich meine Beobachtungen anstellen konnte. Ich war schon völlig davon überzeugt, daß sich Godfrey irgendwo in der Nähe versteckt hielt, aber die Frage nach dem Wo und dem Warum blieb noch zu lösen.
      Das Haus ist so groß und weitläufig, man hätte ein ganzes Regiment darin verstecken können. Wenn das Geheimnis in ihm liegen sollte, dann würde es schwerfallen, es zu lüften. Aber die Tür, die ich hatte gehen hören, befand sich auf keinen Fall im Haus. Ich mußte also den Garten erkunden und abwarten, was ich dort entdeckte. Schwierigkeiten stellten sich mir nicht in den Weg, denn die alten Leute waren alle auf ihre Weise beschäftigt und überließen mich ganz meinem Belieben.
      Es gibt einige kleine Nebengebäude, doch am Ende des Gartens liegt ein einzelnes, etwas größeres Haus – groß genug, einem Gärtner oder Wildhüter als Wohnung zu dienen. War das Geräusch einer sich schließenden Tür vielleicht von dort gekommen? Ich näherte mich möglichst gleichgültig, als schlenderte ich ziellos über das Grundstück. Da trat ein kleiner, bärtiger, lebhafter Mann in schwarzem Mantel und mit einem steifen Hut auf dem Kopf – ganz und gar nicht der Typ eines Gärtners – aus der Tür. Zu meiner Überraschung schloß er hinter sich ab und steckte den Schlüssel in die Tasche. Dann sah er mich erstaunten Gesichts an.
      ›Sind Sie zu Besuch hier?‹ fragte er.
      Ich erklärte ihm, ich sei ein Besucher, ein Freund von Godfrey. ›Schade ist nur‹, fuhr ich fort, ›daß er sich auf Reisen befindet, denn er hätte mich sehr gern gesehen.‹
      ›Ganz recht. So ist es‹, sagte er, und er sah dabei ziemlich schuldbewußt drein. Sicherlich werden Sie Ihren Besuch zu einem günstigeren Zeitpunkt wiederholen.‹
      Er ging weiter, aber als ich mich umdrehte, sah ich, daß er stehengeblieben war und mich beobachtete, halbverdeckt von den Lorbeerbüschen am anderen Ende des Gartens.
      Ich ging an der Hütte vorüber und sah sie mir genau an. Aber die Fenster waren dicht verhangen und sie stand nach meinem Eindruck leer. Ich hätte mir das eigene Spiel verderben und sogar des Hauses verwiesen werden können, wenn ich zu verwegen gewesen wäre; denn ich war mir bewußt, daß ich noch immer beobachtet wurde. So schlenderte ich zum Haus zurück und wartete den Abend ab, ehe ich meine Untersuchung fortsetzte. Als alles

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