Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
Vom Netzwerk:
Mähne eines Löwen abgerissen. Es lag auf einem Felsbrocken, vielleicht drei Fuß tief unter Wasser, eine wedelnde, zitternde, haarige Kreatur mit Silberfäden zwischen gelben Haaren. Langsam und schwerfällig dehnte sie sich aus, zog sich wieder zusammen.
      »Sie hat genug Unglück angerichtet. Ihre Tage sind vorbei!« rief ich. »Helfen Sie mir, Stackhurst! Wir wollen dem Mörder für immer das Handwerk legen.«
      Wir ruckelten an einem großen Stein, bis er unter fürchterlichem Spritzen ins Wasser stürzte. Nachdem die Ringe sich verzogen hatten, sahen wir, daß er genau auf den Felsbrocken unter Wasser gefallen war. Eine wedelnde gelbe Franse zeigte an, daß unser Opfer dazwischen lag. Dicker öliger Schaum stieg langsam an die Oberfläche und verschmutzte das Wasser.
      »Das wirft mich um!« rief der Inspektor. »Was war das? Ich bin in dieser Gegend geboren und aufgewachsen, aber ich habe so ein Ding noch nie gesehen. Das gehört nicht nach Sussex.«
      »Zum Glück für Sussex«, antwortete ich. »Vielleicht war es der Sturm aus Südwest, der es mitgeschwemmt hat. Kommen Sie, gehen wir ins Haus zurück, und ich werde Sie mit der fürchterlichen Erfahrung eines Mannes bekanntmachen, der allen Grund hatte, sein Zusammentreffen mit dieser Gefahr des Meeres in der Erinnerung zu bewahren.«
    Als wir mein Arbeitszimmer betraten, fanden wir einen Murdoch vor, der sich so weit erholt hatte, daß er wieder sitzen konnte. Er war noch benommen, und dann und wann durchschüttelte ihn ein Schmerzanfall. Stockend erklärte er uns, er habe keinen Begriff davon, was ihm geschehen sei, abgesehen von plötzlichen Schmerzen, die ihn durchzuckten, und daß er alle körperlichen und seelischen Kräfte habe anspannen müssen, um das Ufer zu erreichen.
      »Durch dieses Buch«, sagte ich und nahm den kleinen Band, »ist das erste Licht in einen Fall gekommen, der sonst möglicherweise für immer im Dunkel geblieben wäre. Sein Titel lautet ›In der freien Natur‹, und der Verfasser ist der berühmte Forscher J. G. Wood. Wood selbst wäre fast an der Berührung mit diesem abscheulichen Geschöpf zugrunde gegangen, und so wußte er genau, was er schrieb. Cyanea Capillata , so lautet der volle Name des Ungeheuers, und eine Berührung mit ihm kann so lebensgefährlich und weitaus schmerzlicher sein als der Biß der Kobra. Lassen Sie mich kurz das Wesentliche zusammenfassen.
      ›Wenn der Badende einer losen, rundlichen Masse von gelbbraunen Schleimhäuten und Fibern ansichtig wird, die aussieht wie ein großes Stück Löwenmähne, in dem auch Silberfäden erkennbar sind, soll er sich aufs äußerste in acht nehmen, denn es handelt sich um die schreckliche Cyanea Capillata .‹ Könnte es eine treffendere Beschreibung des Monsters geben, das auch wir sahen? Anschließend stellt der Autor seine Begegnung mit dem Geschöpf vor der Küste von Kent dar. Er teilt die Erfahrung mit, daß es beinahe unsichtbare Fäserchen auf eine Entfernung von fünfzig Fuß aussendet und daß jedem, der sich in diesem Umkreis des todbringenden Zentrums befindet, Lebensgefahr droht. Wood selber hatte einen beträchtlichen Abstand, und doch war es fast um ihn geschehen. ›Die Fäserchen riefen auf der Haut hellrote Linien hervor, bei näherer Betrachtung unzählige winzige Knötchen oder Pusteln, und alle diese Verletzungen senden einen Schmerz durch die Nervenbahnen, der dem von glühenden Nadeln verursachten vergleichbar ist.‹
      Der örtliche Schmerz, erklärt er, war aber das geringste der außerordentlichen Qual. ›Schmerzanfälle zerrissen mir die Brust, daß ich wie von einer Kugel getroffen zu Boden fiel. Der Puls wurde schnell schwächer, und dann machte das Herz sechs oder sieben wilde Sprünge, als wollte es mit Gewalt aus der Brust ausbrechen.‹
      Er wäre fast daran gestorben, obwohl seine Begegnung im aufgewühlten Meer und nicht im ruhigen Wasser eines Badesees stattfand. Er schreibt, daß er sich hinterher kaum wiedererkannt habe, so bleich, zerfurcht und zusammengefallen war sein Gesicht. Er trank dann gierig Kognak, eine ganze Flasche, und das scheint ihm das Leben gerettet zu haben. Hier ist das Buch, Inspektor. Es enthält die vollständige Erklärung der Tragödie des armen McPherson.«
      »Und mich befreit es nebenbei auch noch vom Verdacht«, fügte Ian Murdoch mit einem gequäl ten Lächeln hinzu. »Ich mache Ihnen keine Vorwürfe, Inspektor, und Ihnen auch nicht, Mr. Holmes, denn es war nur natürlich,

Weitere Kostenlose Bücher