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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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solcher Gewalttaten ist bekannt, und für den Fall, daß sich derartiges wiederholt, besitze ich Mr. Holmes’ ausdrückliche Zustimmung, die ganze Geschichte um den Politiker, den Leuchtturm und den dressierten Kormoran der Öffentlichkeit vorzulegen. Es gibt wenigstens einen Leser, der weiß, was ich hiermit meine.
      Es wäre unvernünftig anzunehmen, daß Holmes ein jeder seiner Fälle Gelegenheit geboten hätte, die besonderen Gaben des Instinkts und der Beobachtung, die ich in diesen Memoiren herauszustellen trachtete, glänzen zu lassen. Manches Mal bereitete es ihm viel Mühe, die Frucht zu pflücken, und dann wieder fiel sie ihm in den Schoß.
      Oft auch waren die schrecklichsten menschlichen Tragödien gerade mit den Fällen verbunden, in denen für ihn nur geringe Möglichkeiten bestanden, sich auszuzeichnen, und über einen von diesen Fällen will ich nun berichten. Dabei werde ich Namen und Schauplätze leicht verändern; die Tatsachen jedoch stimmen mit dem wirklichen Geschehen überein.
      Eines Vormittags, es war gegen Ende das Jahres 1896, erreichte mich ein eiliger Brief von Holmes, in dem er um meine Mitarbeit bat. Ich traf ihn in rauchgeschwängerter Luft an, und auf dem Stuhl ihm gegenüber saß eine ältere, mütterliche Frau vom Typ der drallen Zimmervermieterinnen.
      »Das ist Mrs. Merrilow aus South Brixton«, sagte mein Freund und deutete auf die Besucherin. »Mrs. Merrilow erträgt Tabakrauch, Watson, falls Sie den Wunsch haben sollten, Ihrer ordinären Gewohnheit zu frönen. Mrs. Merrilow will uns eine interessante Geschichte erzählen, bei der viel leicht noch etwas nachkommt, worin Sie nützlich sein könnten.«
      »Alles, was ich zu tun vermag…«
      »Sie werden verstehen, Mrs. Merrilow, daß ich, wenn ich Mrs. Ronder aufsuche, gern einen Zeugen dabei hätte. Das müssen Sie ihr klarmachen, ehe wir eintreffen.«
      »Gott segne Sie, Mr. Holmes«, sagte unsere Besucherin. »Sie ist so auf die Begegnung mit Ihnen versessen, daß Sie die ganze Pfarrgemeinde mitbringen könnten.«
      »Dann werden wir am frühen Nachmittag dort sein. Nun sollten wir uns aber bemühen, mit den Tatsachen ins reine zu kommen. Wenn wir sie noch einmal durchgehen, hilft es gleichzeitig Dr. Watson, die Lage zu verstehen. Sie sagen, Mrs. Ronder wohnt seit sieben Jahren bei Ihnen zur Miete und Sie hätten erst einmal ihr Gesicht gesehen.«
      »Und ich wünsche inständig, ich hätte es nicht gesehen«, sagte Mrs. Merrilow.
      »Soviel ich verstanden habe, war es schrecklich entstellt.«
      »Nun, Mr. Holmes, man kann kaum sagen, daß es ein Gesicht war, so wie es aussah. Unser Milchmann hat es einmal zu sehen bekommen, als sie sich flüchtig am Fenster zeigte, und der Mann ließ seine Kanne fallen, und die ganze Milch lief in den Vorgarten. Von der Art ist das Gesicht. Als ich es sah – das war ganz unvermutet für sie – bedeckte sie sich schnell und sagte dann: ›Jetzt wissen Sie sen Sie wenigstens, Mrs. Merrilow, warum ich nie meinen Schleier lüfte.‹«
      »Ist Ihnen etwas von ihrer Vergangenheit bekannt?«
      »Überhaupt nichts.«
      »Besaß sie Empfehlungen, als sie sich bei Ihnen einmieten wollte?«
      »Nein, Sir, aber sie besaß gutes Geld, und das reichlich. Die Miete für ein Vierteljahr im voraus bar auf den Tisch und kein Wort über die Bedingungen. In diesen Zeiten kann eine arme Frau wie ich so eine Gelegenheit nicht ausschlagen.«
      »Hat sie gesagt, warum sie ausgerechnet auf Ihr Haus gekommen war?«
      »Mein Haus liegt ein Stück von der Straße weg, dadurch ist es stiller als die meisten anderen. Und dann nehme ich auch nur einen Mieter, und ich selbst habe keine Familie. Ich denke mir, sie hat sich auch anderswo umgesehen, und mein Haus hat ihr am besten gefallen. Sie will vor allem Zurückgezogenheit und ist in der Lage, dafür zu zahlen.«
      »Sie sagten, Sie hätten vom ersten Tag bis heute nie ihr Gesicht gesehen, außer überraschend das eine Mal. Nun, das ist eine bemerkenswerte, äußerst bemerkenswerte Geschichte, und es wundert mich nicht, daß Sie sie untersucht haben möchten.«
      »Aber ich möchte das ja gar nicht, Mr. Holmes. Solange ich meine Miete kriege, bin ich ganz zufrieden. Ich könnte keinen ruhigeren Mieter haben und keinen, der weniger Mühe macht.«
      »Wodurch ist dann die Angelegenheit so dringlich geworden?«
      »Ihr Gesundheitszustand, Mr. Holmes. Es sieht aus, als ob sie verfällt. Und etwas Schreckliches

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