Das Opfer
rechnete damit, den anderen Wagen vorbeirasen zu sehen, doch da war nichts.
Ihr eigenes Fahrzeug kam schlingernd und stockend zum Stehen, und Ashley erwartete, während sie herumwirbelten, die Scheinwerfer und die Kollision.
Catherine schlug auf dem Beifahrersitz gegen die Lehne und dann mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe, so dass sie vor Schmerz aufstöhnte. »Halt dich fest!«, brüllte sie wieder und horchte auf das nächste Krachen.
Doch stattdessen herrschte Stille.
Scott hörte das vergebliche Klingeln und wusste, dass niemand abnehmen würde.
Als Erstes schärfte er sich ein, nicht allzu viel hineinzuinterpretieren, wenn niemand ans Telefon ging. Wahrscheinlich waren sie nur essen gegangen und noch nicht wieder zurück. Ashley war ein Nachtmensch, rief er sich ins Gedächtnis, und hatte Catherine vermutlich dazu verdonnert, mit ihr zu einer Spätvorstellung ins Kino zu gehen oder auf einen Drink in die Bar. Es gab Dutzende Gründe, weshalb sie noch unterwegssein konnten. Nur keine Panik, wiederholte er für sich. Ohne einen vernünftigen Grund in Panik zu geraten nützte niemandem und würde nur Ashley irritieren, wenn sie sie schließlich erreichten. Und auch Catherine beunruhigen, da sie sich nicht gerne nachsagen ließ, einer Situation nicht gewachsen zu sein. Er holte tief Luft und rief seine Exfrau zurück.
»Sally? Sie melden sich immer noch nicht.«
»Ich glaube, sie ist in Gefahr, Scott. Das glaube ich wirklich.«
»Wieso? Wieso diesmal?«
Bei Sally hatte sich eine perverse Gleichung im Kopf festgesetzt: toter Hund mal toter Detektiv geteilt durch zersplitterte Türpfosten mal das fehlende Foto hoch zwei – und die Rechnung geht auf … Stattdessen sagte sie nur: »Hör zu, es sind ein paar Dinge passiert. Ich kann dir das jetzt nicht alles erzählen, aber …«
»Wieso nicht?«, fragte Scott so pedantisch, wie es nur ging.
»Weil«, entgegnete Sally mit zusammengebissenen Zähnen, »jede Sekunde, die wir verlieren, sich als …«
Sie brachte den Satz nicht zu Ende. Einen Moment lang schwiegen sie beide, und es taten sich Abgründe zwischen ihnen auf. »Hol mir mal Hope an den Apparat«, bat Scott überraschend. Sally wusste nicht, was sie sagen sollte. »Sie ist hier, aber …«
»Gib sie mir einfach.«
Er hörte Geräusche, als der Hörer von einer Hand zur anderen wechselte. Dann meldete sich Hope. »Scott?«
»Ich komme auch nicht durch. Nicht mal zum Anrufbeantworter.«
»Sie hat keinen. Sie hält mehr davon, dass die Leute es noch mal versuchen.«
»Glaubst du …«
»Ja, allerdings.«
»Sollten wir die Polizei holen?«, fragte Scott.
Hope überlegte. »Das mache ich. Ich kenne die meisten Cops da oben, verdammt, mit ein paar von denen bin ich in dieselbe Klasse gegangen. Ich kann einen dazu bringen, raufzufahren und nach dem Rechten zu sehen.«
»Geht das, ohne dass es zu viel Aufsehen macht?«
»Ja, ich kann einfach sagen, dass ich meine Mutter nicht erreiche und sie schon älter ist. Die kennen sie alle, und es ist bestimmt kein Problem für sie.«
»In Ordnung, tu das«, stimmte Scott zu, »und sag Sally, ich mach mich auf den Weg. Wenn du Catherine erreichst, sag ihr, dass ich komme. Aber ich brauche eine Wegbeschreibung.«
Während Hope mit Scott sprach, sah sie, wie bleich Sally war und dass ihr die Hände zitterten. Noch nie hatte sie Sally derart in Panik gesehen, was Hope fast ebenso durcheinanderbrachte wie die Nacht, die sie von allen Seiten umschloss.
Catherine fand als Erste wieder Worte. »Alles in Ordnung, Ashley?«
Ashley nickte, da ihre Lippen zu trocken waren und es ihr immer noch die Kehle zuschnürte und sie ihrer Stimme nicht traute. Immerhin merkte sie, wie ihr rasender Herzschlag sich normalisierte. »Mir fehlt nichts. Und dir?«
»Kleiner Schlag auf den Kopf, weiter nichts.«
»Sollen wir ins Krankenhaus?«
»Nein, geht schon. Auch wenn ich mich offenbar von oben bis unten mit meinem Sechs-Dollar-Becher Kaffee begossen habe.«
Catherine löste ihren Sicherheitsgurt und öffnete ihre Tür.
»Ich brauche Luft«, erklärte sie in bemüht forschem Ton.
Ashley schaltete den Motor aus. Auch sie trat in die Nacht. »Was ist passiert? Ich meine, was sollte das Ganze?«
Catherine starrte die Straße zurück und wandte sich dann indie Richtung um, in die sie gefahren waren. »Hast du den Mistkerl vorbeifahren sehen?«
»Nein.«
»Also, ich hab auch nicht gesehen, wo er abgeblieben ist. Wüsste zu gerne, wo er hin ist. Hoffentlich
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