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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Catherine ließ Ashley fahren, weil sie, wie sie sagte, nachts nicht mehr halb so gut sehen könne wie früher einmal, auch wenn Ashley den Verdacht hegte, dass sie nur ihren Latte macchiato in Ruhe genießen wollte. Ashley freute sich, dass Catherine so freimütig über ein Gebrechen sprach. Denn Catherine hatte einen unerbittlichen Zug an sich. Sie ließ nicht zu, dassirgendeine der üblichen Altersbeschwerden sie bei irgendetwas, das sie tat, beeinträchtigte, solange sie nur ordentlich darüber wettern konnte.
    Unterwegs deutete Catherine auf die Straße vor ihnen. »Pass auf, dass du kein Reh erwischst. Schlecht für das Reh. Schlecht für den Wagen. Schlecht für uns.«
    Ashley ging folgsam mit dem Tempo herunter und warf einen Blick in den Rückspiegel. Sie sah, wie ein Scheinwerferpaar schnell näher kam. »Da scheint es jemand eilig zu haben.«
    Sie trat einmal kurz auf die Bremse, um sicherzustellen, dass der Wagen hinter ihnen ihre Rücklichter sah.
    »Du lieber Gott!«, platzte sie heraus.
    Der Wagen hinter ihnen war mit quietschenden Reifen unmittelbar bis knapp an ihre Stoßstange herangebraust.
    »Was zum Teufel soll das werden?«, brüllte Ashley. »Hey, hau ab!«
    »Ruhig bleiben«, sagte Catherine in kühlem Ton. Doch sie hatte die Fingernägel in den Sitz gekrallt.
    »Lass das!«, rief Ashley, als der Fahrer hinter ihnen plötzlich das Fernlicht anmachte, so dass es viel zu hell in ihrem Wagen wurde. »Verdammt noch mal, was treibst du da?«
    Sie konnte nicht sehen, wer in dem Fahrzeug saß. Sie legte die Hände fest um das Lenkrad und fuhr weiter die einsame Landstraße entlang.
    »Lass ihn vorbei.« Catherine bemühte sich, die Panik zu unterdrücken. Sie versuchte, sich umzudrehen und hinter ihnen etwas zu erkennen, doch das Fernlicht blendete, und der Sitzgurt engte sie ein. »Fahr an der nächstbesten Stelle rechts ran. Gleich wird die Straße etwas breiter.« Sie versuchte, die Ruhe zu bewahren, während sie fieberhaft überlegte. Catherine kannte die Straßen in ihrer Gegend gut; sie versuchte, vorauszudenken und sich vorzustellen, wie viel Platz sie hatten.
    Ashley versuchte, schneller zu fahren, um etwas Abstand zu gewinnen, doch die Straße war zu schmal und kurvig. Das Auto hinter ihnen beschleunigte und blieb gleichauf. Sie drosselte erneut das Tempo.
    »Was zum Teufel will der von uns?«, schrie sie wieder.
    »Nicht anhalten«, sagte Catherine. »Egal, was du machst, halte ja nicht an. So ein Scheißkerl.«
    »Und wenn er auffährt?«, fragte Ashley, nur um nicht laut zu schreien.
    »Tritt einfach genug auf die Bremse, damit er an uns vorbei muss. Falls er uns rammt, fahr weiter. Die Straße gabelt sich in anderthalb Kilometer nach rechts, da können wir drehen und in die Stadt zurückkehren. Auf dem Weg liegt die Feuerwehr, und vielleicht stoßen wir auch auf die Polizei.«
    Ashley brummte zustimmend.
    Catherine verschwieg Ashley, dass das nahe gelegene Brattleboro zwar eine Polizeibereitschaft rund um die Uhr haben mochte, die Gemeinde sich aber nach zehn Uhr abends auf die State Police oder Freiwillige verließ, die über Funk gerufen werden mussten. Sie wollte auf die Uhr sehen, wagte aber nicht, die Haltegriffe loszulassen.
    »Da vorne rechts!«, rief Catherine. Sie wusste, dass in etwa vierhundert Metern eine Parkbucht kam, die gerade groß genug war, dass ein Bus darauf wenden konnte. »Fahr dahin!«
    Ashley nickte und trat wieder aufs Gas. Das Fahrzeug hinter ihnen machte ebenfalls einen Satz und heftete sich an Ashley, als sie auf einen kleinen Schotterplatz neben der Straße fuhr. Sie versuchte, so plötzlich auszuschwenken, dass dem Fahrer hinter ihnen nichts anderes übrigblieb, als vorbeizufahren.
    Aber es kam anders.
    Beide Frauen hörten das Kreischen der Bremsen und das Quietschen der Reifen auf Asphalt.
    »Halt dich fest!«, schrie Ashley.
    Beide wappneten sich für den Aufprall, und Ashley trat geräuschvoll auf die Bremse. Im Nu waren sie in eine Staubwolke gehüllt und hörten, wie der Schotter gegen ihr Chassis und in die angrenzenden Bäume prasselte.
    Als der Wagen über den lockeren Boden schlitterte, hielt sich Catherine eine Hand vors Gesicht, und Ashley presste sich gegen die Rücklehne. Ashley versuchte gegenzulenken, so wie sie es von ihrem Vater gelernt hatte, und die Kontrolle über das Fahrzeug zu gewinnen, bevor sie in die Böschung fuhr. Für einen Moment brach das Heck aus, doch Ashley warf das Steuer herum und fing es gerade noch ab. Sie sah auf und

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