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Das Orakel der Seherin

Das Orakel der Seherin

Titel: Das Orakel der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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wiederkommst.«
    Doch als ich zurückkam, war niemand da.
    Suzamas letzte Voraussagung war falsch.
    Ich rufe James, und er kommt wieder in den Keller.
    »Draußen auf der Straße stehen Leute, die in Richtung Center weisen«, sagt er. »Ich glaube, daß die Polizei jeden Moment hier sein wird.«
    »Dann sollten wir gehen. Sammeln Sie ein, was von der Schrift noch übrig ist, und nehmen Sie es Ihrem Vater mit.«
    »Werden Sie mich nicht begleiten?«
    »Nein. Ich muß nachdenken – allein. Haben Sie noch ein weiteres Auto?«
    Er zieht eine Grimasse. »Wir haben jetzt jede Menge zusätzliche Autos.
    Nehmen Sie sich irgendeins. Soll ich zu Ihrem Haus fahren?«
    »Ja. Ich werde bald nachkommen. Nehmen Sie den Hinterausgang, wenn Sie das Center verlassen; so wird Sie niemand aufhalten.«
    Er kann nicht anders – er muß mir diese Frage stellen.
    »Haben Sie irgend etwas herausgefunden, das uns weiterbringt?«
    Ich lächle. »Das wird erst die Zeit zeigen.«
    12.
    KAPITEL
    Ich fahre zu der sandigen Klippe im Joshua Tree National Park und lege mich an der Stelle, wo Paula ihr Kind empfing, unter einen großen Baum und starre in den Himmel. Für mich ist es wie ein Wunder, daß sich der Himmel in fünftausend Jahren kein bißchen verändert hat. Ich stelle mir vor, daß ich mich im alten Ägypten befinde, nah am Nil, wo ich, auf dem Rücken liegend, in den Himmel starre. Ich weiß, er hätte damals nicht anders ausgesehen.
    Aber es fällt mir nicht leicht, mich zu erinnern.
    Suzama nahm mich auf – in ihr Heim und in ihr Herz. Sie bewohnte zusammen mit ihren Eltern eine kleine Hütte. Es erscheint mir wie Ironie, daß die größte Seherin aller Zeiten das Kind einer blinden Mutter und eines blinden Vaters war. Keiner der beiden wußte, wie ich aussah, doch sie behandelten mich freundlich und warmherzig. Sie tolerierten sogar, daß ich nachts aktiver war als am Tag. Denn damals brauchte ich noch viel Blut, um meinen unstillbaren Durst zu löschen. Zu der Zeit war es noch schwierig für mich, das Blut meines Opfers zu trinken und es dennoch am Leben zu lassen. Es mangelte mir an der Kontrolle und Selbstbeherrschung, die ich erst in späteren Jahren lernte. Doch natürlich starben des Nachts damals viele Menschen, und ich gab mir Mühe, meine Bedürfnisse an denjenigen zu stillen, die ohnehin dem Tod geweiht waren.
    Als ich eines Nachts nach Hause kam, fand ich Suzama wach vor. Zu der Zeit war ich ungefähr einen Monat in Ägypten. Ich sah den Schmerz in Suzamas großen, seelenvollen Augen. Sie saß draußen vor der Hütte – unter einem Himmel voller Sterne. Ich setzte mich neben sie.
    »Was ist?« fragte ich.
    Es gelang ihr nicht, mich anzusehen. »Ich bin dir heute nacht gefolgt.«
    Ich zog scharf die Luft ein. »Was hast du gesehen?«
    »Ich habe gesehen, was du mit den Menschen machst.« In ihren Augen schimmerten Tränen. »Warum tust du das?«
    Es dauerte eine Weile, bis ich ihr antworten konnte. »Ich muß es tun, um zu überleben.«
    Das war keine Lüge. Sie, die sonst so hellsichtig war, konnte die wahre Natur ihrer Freundin nicht erkennen. Sie hatte nur etwas gespürt, als wir uns zum erstenmal begegnet waren.
    Sie war entsetzt. »Warum?«
    »Weil ich kein Mensch bin, sondern ein Vampir.«
    Schon zu der Zeit hatten sie ein Wort für Kreaturen wie mich. Suzama verstand, was ich meinte. Doch sie floh nicht, sondern ergriff statt dessen meine Hand.
    »Erzähl mir, wie es passiert ist«, forderte sie mich auf.
    Ich erzählte ihr die Geschichte meines Lebens, das mir schon damals unendlich lang erschien, obwohl es gerade erst begonnen hatte. Suzama erfuhr von Yaksha und Rama und Lalita und Krishna. Ich erzählte ihr jedes Wort, das Krishna zu mir gesprochen hatte, und ich berichtete ihr von dem Eid, den er mir abgenommen hatte, keine weiteren Vampire mehr zu erschaffen – und dem Schwur, den Yaksha ihm geleistet hatte, alle Vampire zu vernichten. Suzama hörte mir zu wie im Traum. Als ich geendet hatte, flüsterte sie etwas.
    »Ich habe Krishna in vielen Visionen gesehen«, sagte sie.
    »Sagst du mir, was du siehst?«
    Ihre Stimme klang wie aus weiter Ferne. »In seinen Augen liegt das ganze Universum. Die Sonne, die wir am Himmel sehen, ist nur eine von vielen. All die Sterne – es sind mehr, als man zählen kann –, scheinen im Innern seines Kopfes.« Sie überlegte. »Du mußt ein ganz besonderes Ungeheuer sein, um diese Gnade von ihm zu empfangen.«
    Endlich gelang es mir, mich wieder zu entspannen.
    Suzama

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