Das Orakel der Seherin
Finger auf mich.«
Delar zögerte. »Das war der ganze Traum«, erklärte sie dann. »Er war ungewöhnlich lebendig. Als ich aus ihm erwachte, erfüllte er mich mit großem Staunen, aber auch mit großer Verwirrung. Es schien mir, als habe ich ein Geheimnis erfahren, von dem ich nicht verstand, was es ist. Könnt ihr mir helfen?«
»Einen Moment bitte, meine Königin«, sagte Suzama. Dann wandte sie sich an mich und flüsterte: »Hast du schon Träume wie diesen gehabt?«
Meine Augen weiteten sich. »Ja. Woher weißt du das?«
Suzama lächelte nur. »Wer ist der Mann?«
»Lord Krishna. Daran gibt es keinen Zweifel.«
»Und warum hat er auf sie gezeigt?«
»Das weiß ich nicht. Krishna hat seine Lehren oft in Form von Rätseln ausgesprochen. Darin war er ein Spitzbube.«
»Oder einfach vorsichtig«, sagte Suzama, bevor sie sich wieder an die Königin wandte. »Delar, die Antwort auf Euren Traum ist sehr einfach.«
Sowohl der König als auch seine Königin richteten sich auf. Sogar Priester Ory schien sich nach vorn zu beugen. Ohne Zweifel war er einer derjenigen, denen es nicht gelungen war, den Traum zufriedenstellend zu deuten.
»Die blauen Sterne stehen für das blaue Licht der Gottheit«, sagte Suzama.
»Ihr standet in einer spirituellen Welt in einem spirituellen Himmel. Der Mann neben euch war der Herr selbst, der gekommen war, bevor ihr in das Leben auf dieser Welt hineingeboren werdet. Ihr stelltet ihm eben diese Frage, weil ihr wissen wolltet, welchem Gesetz des Lebens ihr als Königin dieses Landes folgen sollt. Ihr wolltet wissen, was rechtens ist, ein Mittel erfahren, durch das ihr die Menschen Eures Landes gerecht leiten könntet.« Suzama schwieg. »Er gab es Euch, indem er mit dem Finger auf Euch zeigte.«
Delar runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht.«
»Zeigt mit dem Finger auf mich, meine Königin«, forderte Suzama sie auf.
Die Königin tat es. Suzama lächelte.
»Wir zeigen oft mit dem Finger auf jemanden, wenn wir ihn verurteilen. Wir zeigen mit dem Finger, wenn wir jemanden schelten wollen und herausstellen, was er falsch gemacht hat. Doch jedesmal, wenn wir mit dem Finger auf jemanden weisen, zeigen wir gleichzeitig mit drei Fingern auf uns selbst.«
Die Königin sah auf ihre Hand und keuchte erstaunt. »Du hast recht. Aber was bedeutet es?«
»Es bedeutet, daß Ihr sehr vorsichtig in Euren Urteilen und Richtsprüchen sein müßt«, antwortete Suzama. »Jedesmal, wenn Ihr gerecht über jemanden urteilt, macht Ihr Euch dreifach verdient. Doch jedesmal, wenn ihr falsch urteilt, verdreifacht sich Eure Schuld. Dies ist das Gesetz des Lebens, egal ob du Königin, Priester oder Sklave bist. Wenn wir etwas Gutes tun, kommt es dreifach zu uns zurück. Wenn wir jemandem Schaden zufügen, schaden wir uns selbst dreimal so stark.« Suzama verstummte. »Der Herr hat euch damit aufgefordert, gut und großmütig zu sein, meine Königin.«
Königin Delar wirkte beeindruckt.
König Namok schien verunsichert.
Hohepriester Ory war offensichtlich verärgert.
Die Spieler, die an dem Drama teilnehmen würden, standen fest.
Die Würfel waren geworfen.
Doch noch war nicht entschieden, wie sie fallen würden.
Und wer überleben würde, um die versprochene Belohnung einzustreichen.
13.
KAPITEL
Als ich am selben Tag nach Los Angeles zurückkehre, fahre ich nicht geradewegs heim nach Pacific Palisades, doch ich rufe dort an, um zu hören, ob es allen gutgeht. Seymour sagt, daß er weder von Kalika noch von der Polizei etwas gehört habe. Es klingt, als ob er Dr. Seters Gesellschaft genießt, aber ich glaube nicht, daß man das gleiche über seine Beziehung zu James sagen kann.
Ich verspreche Seymour, daß ich bald heimkommen werde.
Um fünf Uhr nachmittags befinde ich mich wieder einmal im Wohnzimmer von Mrs. Hawkins – in dem Haus, in das Eric sich zurückzukehren wünschte, bevor ihm meine Tochter die Kehle durchschnitt. Glücklicherweise hält sich der Heißsporn Mr. Hawkins nicht zu Hause auf. Nur Mrs. Hawkins ist anwesend, rundlich und nett, und die ganze Zeit über spielt sie mit ihren Händen. Obwohl ich offensichtlich mit der Entführung und dem Tod ihres Sohnes zu tun habe, scheint sie sich nicht besonders vor mir zu fürchten. Statt dessen fordert sich mich sofort auf, hereinzukommen, als ich bei ihr vorspreche. Möglicherweise hat sie mir neulich geglaubt, als ich ihr sagte, daß ich alles getan hätte, um ihren Sohn Eric zu retten.
»Möchten Sie etwas trinken?« fragt sie mich
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