Das Orakel des Todes
nicht gerade glücklich.“
„Nicht dass ich mich in die finanziellen Angelegenheiten deiner Familie einmischen wollte“, sagte ich, „aber hast du eine Ahnung, woher dein Vater das Geld für die Restaurierungen hatte?“
„Er lächelte bitter. „Du meinst, weil wir Pedarii notorisch knapp bei Kasse sind? Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung. Ich dachte immer, er hätte irgendwelche alten Familienschätze versilbert, die er versteckt hatte. Doch da ich nach seinem Tod alle Dokumente durchgesehen habe, weiß ich, dass diese Annahme falsch war.“
„Wann wurden die Restaurierungsarbeiten durchgeführt?“, fragte ich.
„Vor etwa neun Jahren“, erwiderte er. „Heute erscheint mir das irgendwie eigenartig.“
„Eigenartig inwiefern?“, hakte ich nach.
Weil er den Tempel danach nie mehr besucht hat. Normalerweise würde man doch denken, dass es einen mit Stolz erfüllt, sich anzusehen, wofür man bezahlt hat. Wenn Männer für derartige Dinge Geld ausgeben, zeigen sie sich normalerweise gerne in der Öffentlichkeit, um sich dafür huldigen zu lassen.“
„Das ist wohl wahr“, stimmte ich ihm zu. Ich hatte selber bereits für derartige Dinge Geld gestiftet und hätte mir die Kosten gewiss nicht aufgebürdet, wenn ich damit nicht meinen Ruhm gemehrt und dafür gesorgt hätte, dass die Leute sich bei Wahlen an meinen Namen erinnerten. Das ist der einzige Grund, der traditionellerweise berühmte Männer veranlasst, Arbeiten an öffentlichen Gebäuden auf eigene Kosten durchführen zu lassen. Warum also hatte der alte Pedarius für die Restaurierung des Tempels gezahlt und den Ort dann gemieden?
„Ich möchte mir die Unterlagen gern ansehen“, sagte ich. „Ich habe sie mitgebracht. Wie mein Freund Cordus vermutet hat, befindet sich unter den Schriftstücken tatsächlich eine beinahe vollständige Liste aller Priester des Orakels der Hekate. Unsere Familie ist zwar eigentlich dem Apollotempel verbunden, doch in praktischen Belangen bilden der Tempel und das Orakel de facto eine Einheit. Wie es scheint, waren sie in früheren Jahrhunderten noch nicht miteinander verfeindet und hatten einen gemeinsamen Patron.“
Ich seufzte. „Tja, vieles von dem, was hier unglaublich alt zu sein scheint, ist in Wahrheit vergleichsweise jungen Datums. Lediglich der Tunnel zu dem unterirdischen Fluss und der Belüftungstunnel, den wir gerade erst entdeckt haben, sind wirklich sehr alt.“ Cordus und Pedarius hörten zum ersten Mal von dem Belüftungstunnel, denn ich hatte meine Entdeckung noch nicht allgemein bekannt gemacht. „Ich bin sicher, dass es bei dieser ganzen Angelegenheit einzig und allein um Geld ging.“
Julia schien sich unbehaglich zu fühlen. Sie war bereit, all diese schäbigen Dinge mit mir unter vier Augen zu besprechen, empfand es jedoch als unschicklich, in Anwesenheit eines anderen Patriziers über so lächerliche Nebensächlichkeiten wie Geld zu reden.
„Und nun, mein Freund“, wandte ich mich an Cordus, „erzähl mir, was du über den Verkauf des Sklavenmädchens herausgefunden hast.“
„Ach ja, natürlich“, entgegnete der Historiker. „Es war ganz einfach, die Papiere zu finden. Das Amt des städtischen Praetors hebt alle Unterlagen über derartige Geschäfte auf. Eines allerdings hat mich auf eine völlig falsche Fährte gelockt - wenn ich das so sagen darf - und mich einige Extramühe gekostet. Du hattest behauptet, der Verkäufer sei ein gewisser Aulus Plantius gewesen, ein umherziehender Sklavenhändler, aber diese Information erwies sich als falsch.“
Den Namen hat mir das Mädchen selber genannt“, entgegnete ich. „Aber es überrascht mich nicht, dass sie gelogen hat. Allerdings ist ihr dabei jemand zur Seite gesprungen. Mein Freund Duronius, der mich an jenem Abend bewirtet hat, hat die Existenz eines Sklavenhändlers mit diesem Namen bestätigt und behauptet, er habe ihm einen Koch abgekauft.“
„Das stimmt sogar. Bei meinen Nachforschungen bin ich auch auf Unterlagen über dieses Geschäft gestoßen, allerdings fand es etliche Tage vor dem Verkauf des Mädchens statt.“ Er reichte mir eine Abschrift des Dokuments über den Verkauf Hypatias. Ich las den Namen des Verkäufers, grinste und reichte das Papier an Julia weiter. Sie zog eine Augenbraue hoch und sah mich an.
„Meine Herren“, sagte ich. „Ich danke euch. Die Papiere, die Lucius Pedarius mitgebracht hat, nehme ich mir später vor. Ich glaube, ich habe jetzt alles Notwendige beisammen. Ich hoffe, ihr
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