Das Orakel des Todes
nehmt meine Einladung an und bleibt meine Gäste bis zur - nun ja, ich will nicht sagen Gerichtsverhandlung, aber ich werde vor aller Öffentlichkeit eine vernichtende Anklage präsentieren.“
Die würde ich mir um nichts in der Welt entgehen lassen versicherte Cordus.
Kapitel XII
Der Tag brach herrlich an. Die unberührte Landschaft er strahlte in jenem klaren Licht, das die Hirtendichter so gern besingen. Dabei verabscheue ich Hirtendichtung. Für mich war der Tag herrlich, weil er mich Sicilia einen Tag näher brachte. So sehr ich das südliche Campania auch liebte, ich wollte es so schnell wie möglich hinter mir lassen.
Am späten Vormittag kam Cato mit seiner kleinen Gefolgschaft die Straße hinaufgestapft. Wie es schien, ging er ausnahmsweise nicht barfuss, sondern hatte Soldatensandalen angezogen. Sein Ausdruck war von grimmiger Entschlossenheit. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, hat er eigentlich nie ein anderes Gesicht gemacht, abgesehen vielleicht von Nuancen wie Verachtung, Wut und Geringschätzung.
„Ave, Praetor!“, brüllte er und salutierte mit hochgerecktem Arm. „Gehe ich recht in der Annahme, dass du die Sache hier zum Abschluss gebracht hast?“
„So gut wie“, erwiderte ich. Ich hatte schon eine Sklavin geschickt, Wein für uns zu holen, und als wir uns niederließen, schenkte sie bereits großzügig ein.
„Was willst du von mir?“, fragte Cato, nachdem er seinen Becher geleert hatte und ihn zum Nachfüllen hinhielt.
„Ich will dich als Zeugen dabeihaben. Ich werde ein paar Dinge tun, die in rechtlicher Hinsicht etwas fragwürdig sind, und ich weiß, dass du dem Senat exakt das berichten wirst, was du mit eigenen Augen gesehen hast. Es gibt wenige Senatoren, auf deren Aufrichtigkeit ich mich verlassen kann.“
Er nickte. „Das ist richtig, kein anderer Senator ist so charakterfest wie ich.“ Er sagte dies im Brustton der Überzeugung, ohne jede Spur von Humor. Er war in jeder Hinsicht absolut von sich überzeugt. Und absolut humorlos. „Wie planst du vorzugehen?“
Ich fasste meinen Plan kurz zusammen. Er nickte und stellte fest: „Damit überschreitest du deine Befugnisse in der Tat. Aber ich stimme dir zu, dass die Umstände dieses Falls einzigartig sind. Als Cicero die catilinarischen Verschwörer ohne Verhandlung zum Tode verurteilte, überschritt er seine Befugnisse als Konsul ebenfalls. Ich habe ihn dennoch unterstützt, weil er keine andere Möglichkeit hatte, die Situation in den Griff zu bekommen. Wann immer Verräter die Verfassung gewaltsam zu Fall bringen wollen, wäre es pure Dummheit, ausgerechnet ihnen die verfassungsmäßigen Rechte zu gewähren.“
Dummerweise ist Cicero trotz deiner bewundernswerten Unterstützung das Exil nicht erspart geblieben.“ Das konnte ich mir nicht verkneifen.
Er zuckte mit den Achseln. „Manchmal muss ein Mann für seine patriotische Haltung einen hohen Preis zahlen. Zumindest entging er der Todesstrafe, die nicht wenige Senatoren verhängen wollten.“
„Die Dinge könnten außer Kontrolle geraten. Ich bin noch nicht sicher, wie viele Leute in die Machenschaften verwickelt sind, und vielleicht gibt es unter ihnen den einen oder anderen Unruhestifter.“
Cato deutete auf seine Begleiter, die ihrem Aussehen nach hartgesottene Kerle wie er waren. „Gegen ein bisschen Blutvergießen haben wir nichts einzuwenden. Wo wir gerade dabei sind - ich habe gehört, du wurdest von einem Pfeil getroffen?“
Ich erzählte kurz, wie knapp ich dem Tod entronnen war. Er und seine Männer fanden die Geschichte ziemlich lustig. Eben habe ich behauptet, Cato sei humorlos, doch das stimmt nicht ganz: Wenn es um Schmerz und Leid geht, kann er sich sehr wohl amüsieren. Als ich mit meinem Bericht zu Ende war, nickte er zustimmend.
„Genau so muss man seine Verletzungen behandeln: So bald man wieder auf den Beinen ist, ab ins Gymnasium. Ein Römer im Dienste der Öffentlichkeit darf sich von etwas so Banalem, wie von einem Pfeil durchbohrt zu werden, nicht unterkriegen lassen. Du kannst von Glück sprechen, dass der Pfeil nicht vergiftet war.“
Allein der Gedanke ließ mich erschaudern. „Offenbar ist es meinem Feind nicht in den Sinn gekommen, die Pfeile zu vergiften. Das scheint aber auch der einzige ernsthafte Fehler zu sein, der ihm unterlaufen ist.“
Ich schickte nach Hermes, der umgehend erschien. „Hermes, nimm ein paar Männer mit, und verhafte Porcia! Durchsucht ihr Haus, und zwar gründlich, und bringt alles mit, was euch
Weitere Kostenlose Bücher