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Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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kindisch! Das Berühren eines Toten kann niemanden vergiften. So kleinlich sind die Götter nicht.“
    Ich war verblüfft. Es war das erste Mal, dass ich Julia etwas gegen die rituellen Gesetze sagen hörte. Natürlich hatte ich selber auch nie etwas auf diesen primitiven Hokuspokus gegeben, aber bisher hatte ich es lieber nicht darauf ankommen lassen. Zudem hatte ich immer geglaubt, dass alte patrizische Familien noch traditionsverbundener wären als meine. Aber Julia war eine Art Freidenkerin geworden. Sie hatte bei alexandrinischen Philosophen Rat gesucht.
    „Also gut, du hast ja Recht. Aber macht es denn einen Unterschied, dass das Mädchen schwanger war?“
    „Schwer zu sagen. Aber es ist etwas, das wir vorher nicht wussten. Und wie du mir selber oft genug mit bedeutungsschwerer Stimme vorgebetet hast, kann jedes Faktum, selbst wenn es noch so unbedeutend erscheint, für die Aufklärung eines Falls von entscheidender Bedeutung sein.“
    „Stimmt, das sind meine Worte. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich dir diese Lektion damals in der Basilica Julia erteilt, unmittelbar nachdem der Tiber über die Ufer stieg mg und im Zusammenhang mit Scaurus' Tod.“
    .“Vielleicht wolltest du mich ja nur auf die Probe stellen“, entgegnete sie mit jener erschöpft wirkenden Engelsgeduld, die sie manchmal an den Tag legt, wenn sie mich für einen absoluten Vollidioten hält. „Aber wir haben es hier mit einem Tempel zu tun, dessen Diener als Inbegriff der Keuschheit gelten. Der Zustand des Mädchens fällt mit dem Massenmord an der gesamten Priesterschaft zusammen. Könnte nicht eine Verbindung zwischen beidem bestehen?“
    „Ich denke schon“, erwiderte ich. „Aber worin könnte diese Verbindung bestehen?“
    „Das ist dein Gebiet“, sagte sie und wandte sich ab. „Ich für meinen Teil nehme mir jetzt die Diener des Orakels vor - und die Frauen der näheren Umgebung.“ Womit sie mir eine unausgesprochene Warnung zuteilwerden ließ: Von den Frauen der näheren Umgebung sollte ich lieber die Finger lassen. Ich hatte gelernt, Julias Warnungen in solchen Angelegenheiten zu beherzigen.
    Also zitierte ich den jungen Sextus Vespillo zu mir. Er ließ nicht lange auf sich warten und wurde kreidebleich, als er die Leiche des Mädchens erblickte. Er war alt genug, um beim Anblick einer Leiche nicht gleich aus den Latschen zu kippen, aber es war offensichtlich, dass er in die Kleine verliebt gewesen war. Ich gab ihm einen Moment, um sich zu fassen.
    „Ich habe gehört, dass es einen weiteren Mord gegeben hat“, sagte er, als er wieder etwas Farbe im Gesicht hatte. Aber ich hatte keine Ahnung, wer das Opfer ist.“
    „Es ist höchste Zeit, dass du mir erzählst, wie du dieser Sklavin begegnet bist und wie es dazu kam, dass sie dir den geheimen Tunnel gezeigt hat.“ Wir verließen die Ställe und gingen Richtung Tempel. Ich hatte dort nichts Dringendes zu tun, aber der Tempel war ein angenehmerer Ort als der Schauplatz des Verbrechens.
    „Wir haben die ganze Gegend nach den Priestern durchkämmt und den Tempel, so wie du es befohlen hast, als Basis für unsere Suchaktion benutzt. Hermes hat mich meistens hier zurückgelassen, weil er mich für einen erbärmlichen Reiter hält und der Meinung war, ich würde den Rest der Truppe sowieso nur aufhalten. Dabei bin ich in Wahrheit ein ziemlich guter ... „
    Ich hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Das tut jetzt nichts zur Sache. Belassen wir es einfach dabei, dass du hier im Tempel warst, während die anderen die Gegend absuchten. Was ist dann passiert?“
    Wir hatten den Platz vor dem Tempel erreicht, wo ich mein Hauptquartier aufgeschlagen hatte.
    „Ich, äh, also ich ... habe da oben gesessen ... „, stammelte er und zeigte vage auf das kleine Podium. Er hoffte, dass ich nicht erfasste, was das implizierte, aber da hatte er sich geirrt.
    „Du hast auf meinem kurulischen Stuhl gesessen?“, schrie ich und zog die neugierigen Blicke sämtlicher Müßiggänger auf mich, die das Areal bevölkerten. Ich habe vergessen zu erwähnen, dass der improvisierte Markt zu der Größe einer Kleinstadt herangewachsen war, weshalb es von Müßiggängern nur so wimmelte.
    „Vergib mir, Praetor, aber ich habe mir nichts dabei gedacht, schließlich warst du mit deinen Liktoren nicht da. „ „Und da schien dir mein Stuhl bestens geeignet, um hübsche Sklavenmädchen mit deiner Wichtigkeit als unmittelbarer Gefolgsmann eines römischen Magistrats zu beeindrucken, habe ich

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