Das Orakel des Todes
legten uns die Sklaven eine reiche Auswahl bissgerechter Happen vor, einer köstlicher als der andere: kleine, in Speck gewickelte und auf Kohlen gegrillte Wildspieße, in Weinblätter gerolltes Entenhackfleisch mit Pinienkernen, mit Melonenwürfel gefüllte, hauchdünne Schinkenscheiben, kleine, mit einer feinen Schicht Paniermehl überzogene, frittierte Tintenfische, gegrillte Brotstückchen mit Käse und Kapern und viele andere Delikatessen, die mir leider entfallen sind. Ausnahmslos alle Gerichte waren köstlich, und auch wenn von allem reichlich aufgetragen wurde, war das Essen doch nicht von jener Vulgarität, die man normalerweise von wohlhabenden Freigelassenen gewohnt ist. Es gab weder absolut ausgefallene Raritäten noch protzerisch gigantische Portionen, groteske Zutaten oder wahnwitzige Zubereitungen. Es waren alles eher schlichte Speisen, allerdings von bester Qualität und exzellent zubereitet.
Nach einer Weile genussvoller Völlerei legte ich mich gesättigt zurück. „Campania ist ja berühmt für seine Küche“, stellte ich fest, „aber ich kann mich nicht erinnern, seit meiner Ankunft in dieser Gegend jemals so gut gegessen zu haben, und ich bin immerhin in einigen der vornehmsten Häuser bewirtet worden.“
Porcia strahlte. „Dann habe ich dich richtig eingeschätzt. Leute, die auf mit libyschen Mäusen gefüllte Saueuter stehen oder auf mit Austern gefüllte germanische Bären, wollen einem nur vorgaukeln, sie seien besonders kultiviert. Ich serviere lieber Speisen, die mir selber schmecken, und verzichte darauf, meine Gäste zu beeindrucken.“
„ Ich bin sehr angenehm beeindruckt“, sagte ich.
„Es ist doch auch wirklich zu albern“, entgegnete sie, wenn Leute, die wie ich in niederem Stande geboren wurden, ihr Geld dafür einsetzen, sich die Anerkennung der Aristokraten zu erwerben. Es ist sowieso ein hoffnungsloses Unterfangen. Ich werde immer die Tochter eines Freigelassenen bleiben, also tue ich gar nicht erst so, als wäre ich jemand anders.“
„Eine weise Lebenseinstellung“, pflichtete ich ihr bei. „Da ich selber einer aristokratischen Familie entstamme, kann ich dir sagen, dass die Vorzüge der edlen Geburt maßlos überschätzt werden. Es ist einem bestimmt, ein hohes Amt zu bekleiden, was bedeutet, dass man möglicherweise umgebracht oder vor ein Gericht gestellt und verurteilt wird. Man ist für die höchsten Priesterämter qualifiziert, und ich kann mir nun wirklich nichts Langweiligeres vorstellen als das. Das Schlimmste aber ist, dass man jede Menge Zeit mit seinesgleichen verbringen muss, und die meisten Aristokraten sind unsägliche Langeweiler, verrückt oder von Geburt an kriminell. Begnüge dich mit Reichtum und Luxus. Das reicht, um dir Respekt und jede gewünschte Ehrerbietung zu verschaffen, und erspart dir die lästigen Begleiterscheinungen des Aristokratendaseins.“ Vespillo sah mich entsetzt an. Meine Illoyalität gegenüber meiner eigenen Klasse überraschte ihn offenbar. Vielleicht hatte ich ein bisschen übertrieben, doch im Laufe meines Erwachsenenlebens hatte ich das Treiben meiner eigenen Klasse mit zunehmender Verbitterung verfolgt, jener Senats-Aristokratie, die die Republik mit ihrer selbstsüchtigen Torheit in den Untergang trieb und dabei einen großen Teil Italias und unseres Weltreichs mit in den Abgrund riss.
Sie zog eine Augenbraue hoch. „Du nimmst kein Blatt vor den Mund. Aber ich hatte mir schon gedacht, dass es so läuft. Mein Vater wurde nicht als Sklave geboren. Seine Eltern haben ihn während einer Hungersnot verkauft. Er hat es ihnen nie übel genommen. Sie hatten eine große Kinderschar und indem sie einige verkauft haben, konnten sie die anderen vorm Verhungern bewahren. Ob man Sklave wird oder nicht, ist reine Glücks- oder Pechsache, es hat nichts mit der Herkunft zu tun oder mit der Gunst der Götter. Einige werden als Sklaven geboren, andere werden zu Sklaven gemacht, wieder andere bleiben ihr Leben lang frei. Mein Vater hat hart für seinen Herrn gearbeitet. Dabei hat er gelernt mit Geld umzugehen und einen reichen Mann aus ihm gemacht.“
„Mit Handelsunternehmen, oder?“, warf ich ein.
Sie nickte. „Genau. Sein Herr war vor allem an Ländereien interessiert, weil Leute aus vornehmem Hause ihr Ansehen bekanntlich vor allem durch Landbesitz zu steigern glauben. Mein Vater hat ihn darauf hingewiesen, dass das Auspressen von Kleinbauern einen Haufen Schwierigkeiten mit sich bringe und es immer wieder Jahre gebe, in
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