Das Orakel des Todes
denen er auf Grund von Ernteausfällen völlig leer ausgehen würde. Kauf Läden und Werkstätten, riet mein Vater ihm. Kaufleute haben immer Geld, und wenn sie Pleite machen, kannst du sie einfach rausschmeißen und das Geschäft an jemand anderen verpachten. Es gibt immer Unternehmer, die ihr Geschäft erweitern oder vergrößern wollen. Auf diese Weise hat er den alten Knaben zu einem reichen Mann gemacht, und aus Dankbarkeit hat er meinen Vater schließlich freigelassen und ihm ein ansehnliches Startkapital mitgegeben. Wie du siehst“, bei diesen Worten deutete sie mit einer ausladenden Geste auf unsere Umgebung, „hat er einiges daraus gemacht.“
„Wohl wahr“, pflichtete ich ihr höflich bei. „Und jetzt würde ich gerne diesen Mundus sehen, wenn du nichts dagegen hast.“
„Tatsächlich?“, entgegnete sie erstaunt. „Warum? Es ist doch nichts weiter als ein Loch im Boden.“
„Egal. Ich habe eine Vorliebe für merkwürdige Orte, und Campania scheint voll von ihnen zu sein. Bitte erfülle mir diesen Wunsch! „
„Dein Wunsch ist mir Befehl“, entgegnete sie gut gelaunt. Sie klatschte in die Hände, und im nächsten Moment wurde im Atrium eine Sänfte bereitgestellt. Mit vollen Bäuchen und ziemlich weinselig wankten wir auf die Trage zu, an jedem Ellbogen geführt von einem Sklaven, falls wir Hilfe brauchen sollten. Der arme Vespillo hatte während des kleinen Privatbanketts kaum ein Wort gesagt. Das lag teilweise an seiner jugendlichen Unbedarftheit, vor allem aber war sein Schweigen darauf zurückzuführen, dass er weder mit Porcias noch mit meinem Verhalten viel anfangen konnte. Aus seiner Sicht hatte ich es für einen Praetor an der gebührenden Gravitas fehlen lassen, indem ich mich mit der gastfreundlichen, aber dem niederen Stand angehörenden Porcia abgab. Außerdem musste es für einen naiven Jungen ziemlich verstörend sein, die Tochter eines Freigelassenen zu erleben, die reicher war als seine eigene Familie. Mit zunehmendem Alter und wachsender Erfahrung würde er seine Illusionen verlieren, aber bis dahin würde noch einige Zeit vergehen.
Die Sklaven halfen uns in die Sänfte und stellten uns eine riesige Schale mit zerstoßenem Eis hin, in der ein großer Krug Wein gekühlt wurde. In Rom wäre dies undenkbar gewesen, aber ich hatte bereits die künstlichen Höhlen gesehen, in denen die Campaner Eis und Schnee lagerten, den sie während des Winters von den Bergen herbeikarrten, um während des Sommers ihre Getränke kühlen zu können.
„Du hast an alles gedacht“, stellte ich fest und hielt meinen Becher hin, damit er von einem entzückenden orientalischen Mädchen gefüllt wurde. Sie war so klein wie eine Zwergin, wodurch sie für die Dienste in einer Sänfte perfekt geeignet war. Sie brauchte kaum Raum und belastete die Träger weitaus weniger als eine Frau normaler Größe.
„Ich will schließlich nicht, dass du Durst leidest“, erwiderte Porcia und ließ sich ebenfalls einen gefüllten goldenen Becher reichen. Sie bot ihn Vespillo an, doch der war schon halb eingenickt und schüttelte den Kopf. Er konnte offenbar nicht viel vertragen und brauchte dringend ein bisschen Übung. Ich beschloss, ihn in dieser Angelegenheit persönlich unter meine Fittiche zu nehmen. Meine Gehilfen mussten mit mir mithalten können, wenn sie zu irgendetwas nütze sein sollten.
Wir durchquerten üppige Obstplantagen und kamen an einem ausgedehnten Weinberg vorbei, dessen Früchte fast erntereif waren. Sklaven richteten die riesigen Bottiche her, in denen die Arbeiter, bis zu den Hüften violett befleckt und verschmiert, zur Musik der Flöten herumspringen würden wie Satyrn und Nymphen, um das Geschenk des Bacchus aus den Trauben herauszupressen. Zur Zeit der Weinernte weilte ich am liebsten auf einem Landgut, denn ich liebte es, den Arbeitern von einem bequemen, behaglichen Plätzchen aus bei ihrem Tun zuzusehen.
Die Träger trugen uns über eine mit glatten weißen Steinen gepflasterte Straße, die von wachsamen Hermen gesäumt wurde. Die Felder waren bestellt, doch die zahlreichen kleinen Ausläufer waren natürlich belassen und bewaldet.
„Du hast viel Land der Natur überlassen“, stellte ich an Porcia gewandt fest. „Das gefällt mir. Viele von Sklaven bewirtschaftete Ländereien werden übermäßig kultiviert, um den Profit zu steigern. Damit wird das Land in kürzester Zeit zu Grunde gerichtet.“
„ Ich bin keine Bäuerin, sondern eine Geschäftsfrau. Wir erwirtschaften genug,
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