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Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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sind.“
    Sie lachte über meine Fantasielosigkeit. „Natürlich nicht! Ich habe mit der Planung begonnen, als ich erfahren habe, dass du nach Campania kommen und in der Villa des Hortalus residieren würdest. Irgendwann mussten dich deine Amtsgeschäfte auch nach Stabiae führen, also habe ich für diesen Tag alles bereitgehalten.“
    „Willst du sagen, dass du all diese Leute seit Monaten beherbergst?“
    „Nicht alle, die Tänzerinnen sind erst vor etwa zehn Tagen eingetroffen. Sie stammen aus Spanien, wo bekanntlich die besten Tänzer der Welt herkommen. Ich bin sehr froh, dass sie es rechtzeitig geschafft haben. Ohne sie hätte an diesem Abend etwas gefehlt. Oh, sieh mal!“ Sie zeigte auf einen seitlichen Felsvorsprung, der in etwa hundert Schritten Entfernung aus der Hauptformation hervorragte. Eine Flammenzunge war aus dem Boden geschossen und breitete sich mit unglaublicher Geschwindigkeit aus. Im Nu loderte ein riesiges Feuer und erhitzte die Umgebung wie einen Backofen. Es beschien die Terrasse wie die aufgehende Sonne und war so hell, dass man kaum hinsehen konnte. Selbst über die Entfernung erreichte uns eine gewaltige Hitzewelle, und die Flammen schlugen so hoch in den Himmel, dass sie mich an den Leuchtturm von Alexandria auf der Insel Pharus erinnerten. Ich wusste, dass nur ölgetränkte Kiefern so hoch und so schnell auflodern können.
    „Das ist dann wohl der Höhepunkt des Abends“, staunte ich. „Wirklich ein erhabener Anblick. Als ob man eine feindliche Stadt brennen sähe.“
    „Ein bisschen kommt noch“, entgegnete sie. „Aber damit sind wir auch schon fast am Ende.“
    Ich sah mich um. „Wo ist Hermes? Ich habe ihn seit dem Essen nicht mehr gesehen. Dabei gehört es zu seinen Pflichten, bei derartigen Veranstaltungen nicht von meiner Seite zu weichen. Wie ich den Burschen kenne, kämpft er mit deinen Gladiatoren. Es hat ihn schon immer gewurmt, dass er den Umgang mit dem gallischen Langschwert nicht hundertprozentig beherrscht. Würdest du mich bitte einen Augenblick entschuldigen? Ich muss mal nach ihm sehen.“
    „Oh, bemühe dich nicht, Praetor! Ich schicke einen Sklaven, ihn zu holen.“
    „Nein, ich will ihn auf frischer Tat ertappen, damit ich ihn angemessen bestrafen kann.“
    Sie lachte vergnügt. Sie war ganz außer sich vor Freude über den durchschlagenden Erfolg ihres Unterhaltungsprogramms, um den sie die einheimischen Aristokraten und Emporkömmlinge monatelang beneiden würden. „Na gut, aber bleib nicht zu lange. Du solltest dir auf keinen Fall den Höhepunkt des Abends entgehen lassen.“
    In Wahrheit wollte ich nur dem Gedränge auf der Terrasse entfliehen, genau wie ich mich am Vormittag meines Gefolges hatte entledigen wollen. Der übrige Teil der Villa war menschenleer, und als ich all die Räume und Innenhöfe passierte, die sich jeder symmetrischen Ausrichtung entzogen, kam ich mir vor wie in einem Traum.
    Wie vermutet, entdeckte ich Hermes auf dem Übungsplatz er war nur mit einem Lendenschurz bekleidet, sein Körper war mit roten Striemen überzogen, die von den Schlägen mit den langen Stöcken, die die Gallier als Schwerter benutzten, herrührten. Eine ansehnliche Zuschauermenge spornte die Kämpfenden an. Campania gilt als Heimat des so genannten Gladiatorenkults. Die Bustuarii, um das alte Wort zu verwenden, kämpften hier schon seit Jahrhunderten, bevor in Rom die ersten Munera stattfanden. Unter den Zuschauern befanden sich Angehörige sämtlicher Schichten, vom Sklaven bis zum Senator, und sie alle ließen sich gerne die spektakulären Darbietungen auf der Terrasse entgehen, wenn sie stattdessen einen guten Kampf zu sehen bekamen.
    Ich stand eine Weile im Schatten einer Säule und beobachtete zufrieden, wie Hermes mit einem großen, mit einem Langschwert bewaffneten Gallier kämpfte, der während des Kampfs so glücklich grinste, wie es die Gallier nun einmal tun, selbst wenn sie tödlich verletzt werden. Hermes war eine wahre Augenweide: stark und anmutig wie ein Panther. Er war für jeden ein ebenbürtiger Gegner, nur eben nicht für diese Berufskämpfer. Die Gallier hatten den ganzen Abend zur Unterhaltung der Gäste gekämpft, trotzdem waren sie weder kurzatmig noch schwitzten sie übermäßig. Es war das Ergebnis täglichen Trainings, das Resultat unermüdlichen Schwertkampfes, vor allem bei Männern, die schon als Athleten und Schwertkämpfer geboren wurden, was für Gallier adeliger Herkunft wohl eine ziemlich zutreffende Beschreibung ist.

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