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Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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sie überhaupt gibt“, gab ich zu bedenken. „Die ganze Geschichte kann auch frei erfunden sein.“
    Er nahm einen vorsichtigen Schluck. „Das glaube ich nicht. Ich habe so ein Gefühl, dass zumindest ein Großteil der Wahrheit entspricht. Morgen früh nehme ich mir die Sklaven vor. Ich werde mich ein bisschen in der Nähe der Brunnen und Spelunken herumtreiben, wo sie gewöhnlich anzutreffen sind.“
    „Du lässt keine Gelegenheit aus, dich deinen Pflichten hei Gericht zu entziehen.“
    „Würdest du nicht das Gleiche tun?“
    In dem Augenblick tapste ein kleines barfüßiges Sklavenmädchen auf uns zu. „Praetor, meine Herrin und deine Ehefrau lassen ausrichten, dass du zur Terrasse kommen sollst, damit dir nicht der Höhepunkt des Abends entgeht.“
    „Wie könnte ich der Versuchung widerstehen oder mich diesem Befehl widersetzen?“, entgegnete ich und erhob mich. Hermes stand ebenfalls auf und stakste ein wenig steif los, da seine Striemen zu schmerzen begannen. Das kleine Mädchen führte uns auf dem kürzesten Weg zur Abendgesellschaft zurück. Alle hatten sich an der Balustrade versammelt, die dem Felsvorsprung, auf dem das Feuer loderte, gegenüberlag.
    „Macht dem Praetor Platz!“, rief Hermes, als ob er einer meiner Liktoren wäre. Unter trunkenem Gejohle bahnten wir uns unseren Weg zur Balustrade, wo Julia und Sabinilla mit den ehrwürdigsten Gästen standen.
    „Da bist du ja, Praetor“, begrüßte mich Sabinilla. „Du kommst gerade rechtzeitig.“
    „Wie unhöflich von dir, unsere Gastgeberin und ihre Gäste ausgerechnet dann zu verlassen, wenn der Abend seinem Höhepunkt zustrebt!“ Julia durchbohrte mich und Hermes gleichermaßen mit einem bösen Blick.
    „Die Pflicht hat mich gerufen, Liebste. Und ein römischer Amtsträger im Dienste des Volks und Senats darf bekanntlich nie seine Pflichten vernachlässigen.“ Mein Kommentar veranlasste die in der Nähe stehenden Gäste zu trunkenem Gejohle. Julia musste selber ein paar Becher zu viel intus haben, sonst hätte sie ihren würdigen Praetor-Gatten niemals öffentlich vor aller Ohren heruntergeputzt. Sabinilla klatschte in die Hände, um sich Gehör zu verschaffen und vielleicht auch, um eine sich anbahnende unschickliche Szene zu verhindern.
    „Alle mal herhören!“ Sie gab einem Musiker ein Zeichen, woraufhin dieser auf seiner Doppelflöte ein paar schrille Töne anstimmte. Das Besondere an Flöten ist, dass man sie auf größere Distanz hören kann als Trompeten und dass sie selbst lauten Lärm wie Kampfgebrüll übertönen.
    Alle Augen richteten sich auf das Feuer auf dem gegenüberliegenden Felsvorsprung. Brennende Kiefern entwickeln eine enorme Hitze, verbrennen aber sehr schnell, und das Feuer war bereits heruntergebrannt. Das Einzige, was noch übrig war, war ein riesiger Haufen glühender Kohle, aus dem gelegentlich einzelne Flammen emporzüngelten. Auf das Flötensignal hin hörten wir ein Ächzen, Schleifen und Kratzen. Ich hatte keine Ahnung, woher das Geräusch kam, und dann erhob sich der Kohlenhaufen plötzlich in der Mitte und türmte sich auf, als ob er gerade lebendig geworden wäre. Die Menge schnappte kollektiv nach Luft, als hätte sie gerade eine übernatürliche Erscheinung gesehen. Ich selber erschrak nur ein wenig, denn abergläubische Vorstellungen liegen mir absolut fern.
    Dann sahen wir zwei Ochsengespanne, auf jeder Seite des Kohlenhaufens eins, und mir ging ein Licht auf. Sie zogen einen riesigen Schaber, wie er für die Planierung von Straßen und zur Einebnung des Bodens bei Bauprojekten verwendet wird. Ich glaube, Straßenhobel ist der richtige Begriff. Wie auch immer, hier diente das Gerät jedenfalls dazu, den riesigen Kohlenhaufen in Richtung Klippe zu ziehen. Die Kohlen türmten sich höher und höher, bis die ersten den Rand der Klippe erreichten, die zu dieser Stunde fast unsichtbar war. Sie war absolut schwarz. Unter ihr zeichnete sich eine schwach erkennbare weiße Schaummasse ab, wo sich die Wellen an den Felsen brachen.
    Alle hielten wie betäubt die Luft an, als die Kohlen sich über die Klippe ergossen. Sie bildeten eine gewaltige glühende Kaskade, wie ein Wasserfall aus Feuer. Aus den glühenden Kohlen züngelten erneut Flammen empor, im nächsten Augenblick sahen wir einen geschlossenen, breiten Streifen lodernden Feuers, der sich von der Klippe bis zur Brandung erstreckte, und als die Kohlen ins Meer stürzten, zischten sie so laut wie tausend gleichzeitig aus dem Schlaf gerissene

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