Das Orakel des Todes
es gibt irgendjemanden, der ihn nicht lieber tot als lebendig sähe?“ Dafür erntete er allgemeines Gelächter, sogar Belasus lachte mit. Ich ging mit dem Duumvir nach draußen, wo wir uns auf einer Bank niederließen. Neben uns plätscherte ein Brunnen, dessen Wasser sich aus dem gemeißelten Gesicht des Silenus in ein muschelförmiges Becken ergoss. Wir ließen uns von einem vorbeikommenden Verkäufer zwei Becher Wein geben, machten es uns bequem und unterhielten uns. Natürlich redeten wir über Politik. Eigentlich hatte ich anderes mit ihm zu besprechen, doch ich hatte die Regeln der Höflichkeit zu wahren, und wie immer, wenn sich damals zwei italische Politiker miteinander unterhielten, ging es vor allem um ein Thema.
„Sag mir, Praetor, auf wen setzt du?“, fragte er. „Auf Caesar? Auf Pompeius? Auf den Senat? Oder auf irgendeinen Emporkömmling, von dem ich noch nichts gehört habe?“ Als ob wir den Wettstreit der Grünen und der Blauen im Circus diskutierten.
„Auf Caesar“, erwiderte ich unverblümt. „Pompeius ist Erledigt. Der Senat wird sich auf die Seite des Siegers schlagen, abgesehen vielleicht von ein paar unverbesserlichen Pompeius - Anhängern, die wahrscheinlich im Exil landen werden. Das letzte Mal gab es hier Unruhen, als eure Stadt die Samniten gegen Sulla unterstützt hat. Begeht lieber nicht noch einmal den Fehler, auf das falsche Pferd zu setzen.“
Er starrte mich überrascht an. „Das war klar und deutlich. Und ich dachte, deine Familie unterstützt Pompeius. Aber immerhin bist du ja mit Caesars Nichte verheiratet, ist es nicht so?“
„Meine Familie und meine Frau haben nichts damit zu tun versicherte ich ihm. „Ich kenne beide Männer, ich kenne ihre Armeen, und ich kenne den Senat. Caesar ist der kommende Mann, auf ihn solltest du setzen.“
„So weit, so gut. Und was wird Caesar tun, wenn er der Herr im Haus ist?“ Seine provinzielle Direktheit gefiel mir. „Wenn ich das wüsste! Leider bin ich kein Hellseher. Am besten würde er für eine dringend erforderliche Neuordnung des Senats und der Gerichte sorgen, den Kalender neu justieren, was als Pontifex Maximus sowieso seine Aufgabe ist, die Verfassung einer Revision unterziehen und, falls erforderlich, einige Anpassungen vornehmen. Und wenn er mit allem fertig ist, sollte er dem Beispiel Sullas folgen, seine Ämter niederlegen und sich zurückziehen. Ich hoffe nur, dass er dabei nicht so viele Menschen umbringt wie Sulla. Was ich definitiv weiß, ist, dass er gegen die Parther zu Felde ziehen will. Crassus war sein Freund, und er will ihn rächen, die römischen Kriegsgefangenen und die verlorenen Feldzeichen zurückbringen. Und den Sieg natürlich seinen eigenen Lorbeeren hinzufügen. Wenn er nur die Angelegenheiten in Rom in seinem Sinne regelte und anschließend zu seinem nächsten Feldzug aufbräche, würde Italia noch einmal davonkommen.“
„Du glaubst, er lässt sich zum Diktator ernennen? Sulla hat immerhin die Rechte der Volkstribunen eingeschränkt.“. „Er wird faktisch Diktator sein, auch wenn der Senat ihm den Titel nicht verleiht. Und was die Tribunen angeht, sie können entsetzliche Quälgeister sein, aber wir brauchen sie. Ohne sie wären die Leute auf Gedeih und Verderb dem Senat ausgeliefert, der zu einem Großteil aus eigennützigen Dieben besteht. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede, ich bin schließlich selber Senator. Einer der besseren, versteht sich.“
Die letzte Bemerkung quittierte er mit einem herzlichen Lachen. „Also gut, Praetor, du hast mir ehrlich geantwortet, deshalb erzähle ich dir jetzt auch etwas, das in den kommenden Monaten für dich von Nutzen sein könnte. In dieser Gegend hat Pompeius jede Menge Anhänger. Die Leute mögen ihn. Er ist äußerst populär, und wenn er sich hier blicken lässt, wird er bejubelt und gepriesen, und wir richten zu seinen Ehren jedes Mal ein opulentes Bankett aus.“ Er beugte sich zu mir. „Aber niemand hier würde für ihn in einen Krieg ziehen. Popularität ist eine Sache, Loyalität bis in den Tod eine andere. Caesar kennen wir hier unten nicht besonders gut, aber wir würden ihm gewiss keine Schwierigkeiten machen. Das nächste Mal, wenn du den Onkel deiner Frau siehst, kannst du ihm das ausrichten.“
„Das werde ich tun. Und ich weiß dein Vertrauen zu schätzen. Und jetzt sag mir: Hatte dieser Syrer irgendetwas mit dem Apollotempel und dem Orakel der Hekate zu tun? Ich untersuche nämlich die Morde, die sich dort zugetragen
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