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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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Ladestock des Revolvers auf. Noch drei Tage, und die Waffe wäre fertig gewesen. Ja, dachte er, wirklich gute Arbeit. Ein Fachmann hätte den Unterschied feststellen können… aber die japanischen Sammler waren eben keine Fachleute, hatten überhaupt keine Maßstäbe, an denen sie Vergleiche ziehen konnten.
    Soweit er wußte, war es ihnen überhaupt nie in den Sinn gekommen, sich zu fragen, ob die sogenannten historischen Kunstgegenstände, die in den Läden an der Westküste verkauft wurden, echt waren. Vielleicht würden sie das eines Tages tun… Und dann würde die Seifenblase platzen und der Markt zusammenbrechen, selbst für die echten Stücke. Das war wie ein Greshams Gesetz: die Falsifikate würden den Wert der echten Stücke unterminieren. Und das war ohne Zweifel auch der Grund, weshalb niemand Nachforschungen anstellte; schließlich war jedermann glücklich und zufrieden. Die Manufakturen gaben sie weiter, und die Händler stellten die Stücke aus und warben für sie. Die Sammler blätterten ihr Geld hin und trugen ihre Käufe zufrieden und glücklich nach Hause, um bei ihren Kollegen, Freunden und Freundinnen Eindruck zu machen.
    Es war wie beim Notgeld aus der Nachkriegszeit – gut und echt, solange es nicht in Zweifel gezogen wurde. Niemand erlitt einen Schaden, bis der Tag der Abrechnung kam. Und dann würde jedermann und in gleicher Weise ruiniert sein. Aber unterdessen sprach niemand darüber, selbst die Männer nicht, die sich ihren Lebensunterhalt damit verdienten, die Fälschungen herzustellen; sie verschlossen ihre eigene Vorstellung vor dem, was sie machten, konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf die bloßen technischen Probleme.
    »Wann hast du denn zum letzten Mal versucht, selbst Entwürfe zu machen?« fragte McCarthy.
    Frink zuckte die Achseln. »Jahre. Ich kann verdammt genau kopieren, aber…«
    »Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, du hast dir diese Nazi-Vorstellung angeeignet, daß Juden nicht zu schöpferischer Arbeit fähig sind, daß sie nur imitieren und verkaufen können. Schmarotzer.« Er starrte Frink an.
    »Kann sein«, meinte Frink.
    »Versuch’s doch. Irgendein origineller Entwurf wird dir doch gelingen. Oder arbeite direkt mit dem Metall. Einfach spielerisch, so wie ein Kind.«
    »Nein«, sagte Frink.
    »Du hast kein Selbstvertrauen«, meinte McCarthy. »Du hast den Glauben an dich selbst verloren, stimmt’s? Schade. Ich weiß nämlich, daß du es schaffen würdest.« Er ging weg.
    Schade, dachte Frink. Aber trotzdem, er hat recht. Und ich kann mich nicht dazu zwingen, Selbstvertrauen zu haben, wenn es einfach nicht da ist.
    Dieser McCarthy, dachte er, ist wirklich ein verdammt guter Vorarbeiter. Er versteht sich darauf, einen Menschen anzutreiben, ihn dazu zu bringen, das Beste zu leisten, ob er es nun wollte oder nicht, Spitzenleistungen zu erbringen. Ein natürliches Führertalent; fast hätte er mich selbst inspiriert, wenigstens einen Augenblick lang. Aber – McCarthy war weitergegangen, sein Versuch fehlgeschlagen.
    Schade, daß ich mein Orakel nicht da habe, dachte Frink. Ich könnte es befragen, könnte mich der fünftausend Jahre Weisheit bedienen, die dahinterstecken. Und dann fiel ihm ein, daß im Empfangsraum der W-M - Corporation eine Kopie des I Ching lag. Also eilte er über den Korridor, durch die Büros in die Halle.
    Er setzte sich auf einen der Besuchersessel und schrieb seine Frage auf die Rückseite eines Briefumschlags. »Sollte ich versuchen, mich selbständig zu machen, wie man es mir gerade vorgeschlagen hat?« Und dann begann er, die Münzen zu werfen.
    Die unterste Zeile war eine Sieben und die zweite auch, und dann die dritte. Ch’ien dachte er. Das klang gut; Ch’ien stand für Kreativität. Dann Zeile vier, eine Acht Yin. Und Zeile fünf, ebenfalls eine Acht, eine Yinzeile. Großer Gott, dachte er erregt. Noch eine Yinzeile, und ich habe das Hexagramm elf, T’ai, Frieden. Sehr günstiges Urteil. Oder – seine Hände zitterten, als er die Münzen zum Wurf vorbereitete. Eine Yangzeile. Folglich Hexagramm sechsundzwanzig. Ta Cha’u, die zähmende Macht des Großen. Beide haben ein günstiges Urteil. Er warf die drei Münzen. Yin. Eine Sechs. Frieden.
    Er klappte das Buch auf und las:
    FRIEDEN. Das Kleine flieht,
das Große nähert sich. Glück. Erfolg.
    Also sollte ich Ed McCarthy’s Vorschlag aufgreifen. Ein Geschäft eröffnen. Und jetzt die Sechs oben, meine einzige Zeile, die sich bewegt. Er schlug die Seite um. Wie lautete der

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