Das Orakel vom Berge
Mann fort, »werden in Ihrem Geschäft solche hochwertigen Stücke aus der amerikanischen Geschichte verkauft. Nur – o Jammer – versinkt alles zu schnell im Schoße der Zeit.«
Sorgfältig auf jedes Wort achtend – er konnte es sich nicht leisten, dieses Geschäft nicht zu machen, auch einen noch so winzigen Fehler zu begehen –, sagte Childan: »Ja, das stimmt. Von allen Läden in den USA besitze ich das größte Lager an Waffen aus dem Bürgerkrieg. Es wird mir ein Vergnügen sein, Admiral Harusha zu bedienen. Soll ich meine Sammlung an Bord der Syokaku bringen? Heute nachmittag vielleicht?«
»Nein«, sagte der Mann. »Ich werde die Stücke hier ansehen. Ich bin sein Adjutant.«
»Zwölf.« Childan rechnete. Er besaß keine zwölf – nur drei. Aber wenn er Glück hatte, konnte er binnen einer Woche zwölf Stück beschaffen. Luftfracht von der Ostküste zum Beispiel. Und seine Großhandelskontakte am Ort.
»Sie sind Experte für solche Waffen, Sir?« sagte Childan.
»Leidlich«, antwortete der Mann. »Ich habe eine kleine Sammlung von Handwaffen, darunter auch eine winzige Geheimpistole, die aussieht wie ein Dominostein. Cirka 1840.«
»Ein exquisites Stück«, sagte Childan, während er sich zu dem versperrten Safe begab, um einige Waffen für Admiral Harushas Adjutanten zu holen.
Als er zurückkam, sah er, daß der Mann gerade einen Bankscheck ausgefüllt hatte. »Der Admiral wünscht im voraus zu bezahlen. Eine Anzahlung von fünfzehntausend PSA-Dollar.«
Der Raum drehte sich vor Childans Augen. Trotzdem gelang es ihm, mit gleichmäßiger Stimme weiterzusprechen. Er brachte es sogar zuwege, etwas gelangweilt zu klingen. »Wenn Sie wünschen. Es ist nicht notwendig. Eine reine Formalität.« Dann stellte er das Lederetui auf den Ladentisch und sagte: »Hier ist ein ausnehmend schöner Colt. Ein Vierundzwanziger aus dem Jahre 1860.« Er klappte das Etui auf. »Schwarzpulver und Bleikugel.«
Der Mann untersuchte den Colt . 44 geraume Zeit. Dann blickte er auf und sagte ruhig: »Sir, das ist eine Imitation.«
»Wie bitte?« fragte Childan verständnislos.
»Dieses Stück ist nicht älter als sechs Monate. Sir, was Sie anbieten, ist eine Fälschung. Ich bin tief betrübt. Sehen Sie doch. Das Holz hier. Künstlich mit Hilfe von Säuren gealtert. Eine Schande.« Er legte die Waffe weg.
Childan nahm sie und hielt sie in der Hand. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Er drehte die Waffe ein paarmal zwischen den Fingern und sagte schließlich: »Das ist unmöglich.«
»Eine Imitation der authentischen historischen Waffe. Sonst nichts. Ich fürchte, man hat Sie getäuscht. Vielleicht irgendein skrupelloser Schurke. Sie müssen das der Polizei melden.« Der Mann verbeugte sich. »Ich bin zutiefst betrübt. Vielleicht haben Sie auch andere Imitationen in Ihrem Geschäft. Ist es möglich, daß Sie, der Besitzer, als Händler für solche Dinge Fälschungen nicht von echten Stücken unterscheiden können?«
Der Mann nahm den Scheck wieder an sich, steckte ihn in die Tasche und schob die Füllfeder ein. Dann verbeugte er sich. »Eine Schande, Sir, aber ich kann – was für ein Jammer – mit ›American Artistic Handcrafts‹ kein Geschäft machen. Admiral Harusha wird enttäuscht sein. Nichtsdestoweniger werden Sie Verständnis für meine Lage haben.«
Childan starrte immer noch wortlos die Waffe an.
»Guten Tag, Sir«, sagte der Mann. »Darf ich Ihnen untertänigst einen Rat geben? Sie sollten einen Fachmann damit beauftragen, Ihre Ware zu untersuchen. Ihr guter Ruf… Sie werden mich sicher verstehen.«
Childan murmelte: »Sir, wenn Sie bitte…«
»Seien Sie unbesorgt. Ich werde das niemandem gegenüber erwähnen. Ich – werde dem Admiral sagen, daß Ihr Laden heute geschlossen war. Schließlich…«, der Mann blieb unter der Tür stehen. »Schließlich sind wir beide Weiße.« Er verbeugte sich noch einmal und ging hinaus.
Childan stand alleine da und hielt die Waffe in der Hand. Unmöglich, dachte er.
Aber es mußte so sein. Großer Gott. Ich bin ruiniert. Ich habe einen fünfzehntausend-Dollar-Auftrag verloren. Und meinen Ruf, falls sich das herumspricht. Wenn dieser Mann nicht diskret ist.
Ich werde mich töten, entschied er. Ich habe mein Gesicht verloren. Ich kann nicht weiterleben.
Andererseits, vielleicht irrte der Mann.
Vielleicht log er.
Vielleicht hat ihn United States Historic Objects geschickt, um mich zu vernichten. Oder West Coast Art Exclusives.
Jedenfalls einer meiner
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