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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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so nennt er es.«
    »Die werden ihn nicht kriegen«, sagte Joe und kaute schnell. »Der paßt auf. Clever.«
    »Ich finde, es gehört eine Menge Mut dazu, dieses Buch zu schreiben«, sagte sie. »Wenn die Achse den Krieg verloren hätte, könnten wir sagen und schreiben, was wir wollen, so wie das früher war; wir wären ein Land und hätten ein faires Gesetzsystem, das für uns alle gilt.«
    Zu ihrer Überraschung nickte er dazu nur.
    »Ich verstehe dich nicht«, sagte sie. »Was glaubst du denn? Was willst du? Du verteidigst diese Ungeheuer, diese kranken Menschen, die die Juden abgeschlachtet haben, und dann…« In ihrer Verzweiflung packte sie ihn an den Ohren; er riß überrascht die Augen auf und stand dann unwillkürlich auf, als sie sich erhob.
    Sie standen einander gegenüber, und keiner konnte etwas sagen.
    »Laß mich doch fertigessen«, sagte Joe schließlich.
    »Willst du es mir nicht sagen? Du weißt es selbst nicht. Du ißt einfach weiter und tust so, als würdest du mich nicht verstehen.« Sie ließ seine Ohren los und sah jetzt, daß sie unter ihrem Griff ganz rot geworden waren.
    »Leeres Gerede«, sagte Joe. »Es hat nichts zu bedeuten. Wie das Radio, das, was du darüber gesagt hast. Kennst du den alten Braunhemdenausdruck für Leute, die solch philosophischen Quatsch daherreden? Eierkopf . Egghead. Weil diese großen leeren Köpfe so leicht zerbrechen… In den Straßenkämpfen.«
    »Wenn du so von mir denkst«, sagte Juliana, »warum ziehst du dann nicht weiter? Warum bleibst du dann hier?«
    Seine rätselhafte Grimasse machte ihr Angst.
    Wenn ich ihn doch nicht hereingelassen hätte, dachte sie. Und jetzt ist es zu spät; ich weiß, daß ich ihn nicht mehr loswerde – er ist zu stark.
    Irgend etwas Schreckliches geschieht hier, dachte sie. Es drängt immer weiter aus ihm heraus. Und ich helfe da anscheinend mit.
    »Was ist denn los?« Er stieß sie mit der Hand spielerisch unter das Kinn, strich ihr über den Nacken, griff unter ihr Hemd und drückte ihre Schultern. »Eine Laune. Hast du Angst vor mir? Nein, das ist es nicht. Du hast Angst vor Männern. Stimmt’s?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Doch. Das ist mir letzte Nacht klar geworden. Nur, weil ich…«, er unterbrach sich selbst. »Weil ich mich besonders bemüht habe, deine Wünsche zu erfüllen.«
    »Weil du mit zu vielen Mädchen im Bett warst«, sagte Juliana. »Das wolltest du doch sagen.«
    »Aber ich weiß, daß ich recht habe. Hör zu. Ich werde dir nie weh tun, Juliana. Bei meiner toten Mutter – ich gebe dir mein Wort. Ich werde besonders feinfühlig sein, und wenn du schon auf meinen Erfahrungen herumreiten willst – dann sollst du einen Nutzen davon haben. Du wirst deine Nervosität verlieren; ich brauche gar nicht lange, dann wirst du gelockert sein und entspannt.«
    Sie nickte. Trotzdem kam sie sich immer noch kalt und traurig vor und wußte nicht, weshalb.
    Mr. Nobusuke Tagomi saß allein in seinem Büro im Nippon Times Gebäude und dachte nach. Er mußte am Morgen immer die ersten Minuten alleine verbringen.
    Schon ehe er sein Haus verlassen hatte, hatte er Itos Bericht über Mr. Baynes bekommen. Der junge Student hatte keine Zweifel. Mr. Baynes war kein Schwede. Mr. Baynes war ohne jeden Zweifel deutscher Staatsbürger.
    Aber Itos Fähigkeit im Umgang mit den germanischen Sprachen hatte weder die Handelsmission noch die Tokkoka, die japanische Geheimpolizei, je sonderlich beeindruckt. Wahrscheinlich hat der Narr gar nichts Besonderes ausgeschnüffelt, dachte Mr. Tagomi bei sich. Übertriebene Begeisterung, kombiniert mit romantischen Doktrinen. Man mußte da sehr argwöhnisch sein.
    Jedenfalls würde die Besprechung mit Mr. Baynes und dem älteren Herrn von den Heimatinseln in Kürze beginnen, gleichgültig welcher Nationalität Mr. Baynes war. Und Mr. Tagomi mochte den Mann. Vermutlich war dies das grundlegende Talent von Männern hohen Rangs – wie er einer war. Einen guten Mann zu erkennen, wenn er ihn sah. Intuition über Menschen. Eine Intuition, die tiefer ging als alles Zeremoniell, jede äußere Form.
    Leute wie er konnten zum Herzen des anderen durchdringen. Das Herz, das in zwei Yinlinien schwarzer Leidenschaft eingeschlossen war. Manchmal sogar davon zerdrückt, und selbst dann gab es das Licht des Yang, ein Flackern in der Mitte. Ich mag ihn, sagte Mr. Tagomi zu sich. Deutscher oder Schwede, ich hoffe, das Zarakain hat ihm gegen seine Kopfschmerzen geholfen. Ich darf nicht vergessen, mich danach zu

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