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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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und Baltimore. Jetzt ist diese Arbeit natürlich getan. Die großen Kartelle, wie in New Jersey Krupp und Söhne, haben jetzt das Sagen. Aber das sind nicht die Nationalsozialisten; das sind die alten europäischen Kapitalisten. Viel schlimmer, hörst du? Nazis wie Rommel und Todt taugen eine Million mal mehr als diese Industriellen wie Krupp und die Bankiers; man hätte all diese Preußen vergasen sollen. All diese feinen Herren mit ihren Westen.«
    Aber, dachte Juliana, diese feinen Herren mit ihren Westen haben doch immer das Sagen. Und deine Idole, Rommel und Dr. Todt, sie sind einfach nach den Feindseligkeiten gekommen, um den Schutt wegzuräumen und die Autobahnen zu bauen und die Industrie wieder in Gang zu bringen. Sie haben sogar die Juden leben lassen, welche Überraschung – eine Amnestie, damit die Juden mitmachen konnten. Bis ‘49 jedenfalls… Und dann, ade Todt und Rommel, dann hat man euch auf die Weide geschickt.
    Als ob ich das nicht wüßte? dachte Juliana. Habe ich nicht von Frank das alles gehört? Du kannst mir nichts über das Leben unter den Nazis sagen; mein Mann war – ist – Jude. Ich weiß, daß Dr. Todt der bescheidenste, sanftmütigste Mann war, der je gelebt hat; ich weiß, daß er nichts anderes wollte, als allen Arbeit geben – ehrliche, anständige Arbeit für die Millionen verzweifelter amerikanischer Männer und Frauen, die nach dem Krieg in den Ruinen herumwühlten.
    Ich weiß, daß er medizinische Versorgung und Urlaubsorte und angemessene Unterbringung für jeden wollte, gleichgültig, welcher Rasse er angehörte; er war ein Erbauer, kein Denker… Und in den meisten Fällen gelang es ihm, das zu schaffen, was er gewollt hatte – er bekam es tatsächlich, aber…
    Jetzt wurde ihr plötzlich klar, was sie die letzten Minuten im Unterbewußtsein beschäftigt hatte. »Joe. Dieses Heuschreckenbuch – ist es nicht an der Ostküste verboten?«
    Er nickte.
    »Wie kommt es dann, daß du es gelesen hast?« Irgend etwas beunruhigte sie daran. »Erschießen die nicht immer noch die Leute, wenn sie…«
    »Das kommt auf die Rassenzugehörigkeit an.«
    Das war richtig. Slawen, Polen, Puertoricaner hatten bezüglich dessen, was sie lesen durften, die strengsten Vorschriften. Die Angelsachsen hatten es viel besser; es gab öffentliche Erziehung für ihre Kinder, und sie konnten in Bibliotheken, Museen und Konzerte gehen. Aber trotzdem… die Heuschrecke war nicht nur klassifiziert, sondern verboten, und zwar für jeden.
    »Ich hab es auf der Toilette gelesen«, sagte Joe. »Unter dem Kopfkissen versteckt. Genaugenommen habe ich es gelesen, weil es verboten war.«
    »Du bist sehr tapfer«, sagte sie.
    »Meinst du das etwa sarkastisch?« fragte er zweifelnd.
    »Nein.«
    Er entspannte sich ein wenig. »Für euch hier ist das leicht. Ihr lebt ein sicheres, sinnloses Leben, habt nichts zu tun und braucht euch über nichts den Kopf zu zerbrechen. Ihr seid dem Strom der Ereignisse fern, ein Überbleibsel aus der Vergangenheit. Stimmt’s?« Seine Augen verspotteten sie.
    »Du bringst dich mit deinem Zynismus selbst um«, sagte sie. »Deine Idole wurden dir eines nach dem anderen weggenommen, und jetzt hast du nichts mehr, was du lieben kannst.« Sie hielt ihm seine Gabel hin. Er nahm sie. Essen, dachte sie. Oder selbst die biologischen Prozesse aufgeben.
    Joe deutete mit einer Kopfbewegung auf das Buch und sagte: »Auf dem Umschlag steht, daß dieser Abendsen hier in der Gegend wohnt. In Cheyenne. Man stelle sich vor, wie er von solch einem sicheren Punkt aus eine Weltperspektive aufbauen kann. Lies, was hier steht; lies es laut.«
    Sie nahm das Buch und las, was auf dem hinteren Umschlagblatt stand. »Er ist ehemaliger Soldat; gehörte im Zweiten Weltkrieg zum US-Marinekorps und wurde in England von einem Tigerpanzer der Nazis verwundet. Sergeant. Hier steht, er habe praktisch eine Festung, in der er schreibt, mit Waffen rings herum.« Sie legte das Buch hin und sagte: »Das steht zwar nicht hier, aber ich hörte, er sei beinahe so etwas wie ein Paranoiker mit geladenem Stacheldraht um sein Haus, das noch dazu hoch oben in den Bergen liegt. Schwer zu erreichen.«
    »Vielleicht hat er recht«, sagte Joe, »daß er so lebt, nachdem er dieses Buch geschrieben hat. Die deutschen Bonzen gingen an die Decke, als sie es lasen.«
    »Der hat schon vorher so gelebt; der hat sein Buch dort geschrieben. Sein Haus heißt…« Sie warf einen Blick auf den Schutzumschlag des Buches: »›Die Trutzburg‹,

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