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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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stumm.
    »Zeit zum Essen«, sagte Betty und erhob sich mit einer graziösen Bewegung. »Bitte kommen Sie, meine beiden Herren.« Sie schob Robert und Paul an den Eßtisch, der bereits mit weißem Tischtuch, Silber, Porzellan und übergroßen rauhen Servietten gedeckt war, die in amerikanischen Serviettenringen, aus Knochen geschnitzt, steckten. Die Tassen und Teller von Royal Albert, tiefblau und gelb. Ungewöhnlich; er mußte sie, ob er wollte oder nicht, mit professioneller Bewunderung ansehen.
    Die Teller waren nicht amerikanisch. Sie schienen japanisch zu sein; genau konnte er das nicht sagen, er verstand davon nichts.
    »Das ist Imari Porzellan«, sagte Paul, dem sein Interesse aufgefallen war. »Aus Arita. Es gilt als erstklassiges Produkt. Japan.«
    Sie setzten sich.
    »Kaffee?« fragte Betty Robert.
    »Ja, bitte«, sagte er. »Vielen Dank.«
    »Wenn wir gegessen haben«, sagte sie und holte den Servierwagen. Dann aßen sie alle. Robert fand das Mahl sehr delikat. Betty war eine hervorragende Köchin. Insbesondere der Salat schmeckte ihm, Avocados, Artischockenherzen, eine Art von Roquefortdressing… Gott sei Dank hatten sie ihm kein japanisches Mahl geboten, das Durcheinander aus Grünzeug und Fleisch, das er seit dem Krieg so oft hatte essen müssen.
    »Ich hätte gerne gewußt«, meinte Robert, »wie es wäre, wenn es eine Welt gäbe, in der Deutschland und Japan den Krieg verloren haben.«
    Weder Paul noch Betty antworteten eine Zeitlang darauf. Schließlich meinte Paul: »Die Unterschiede sind sehr kompliziert. Sie lesen besser das Buch. Ich würde es Ihnen verderben, wenn ich es jetzt sagte.«
    »Ich habe ziemlich viel darüber nachgedacht«, sagte Robert. »Die Welt wäre viel schlimmer.« Er hörte seine eigene Stimme, sie klang fest, beinahe grob. »Viel schlimmer.«
    Sie schienen überrascht. Vielleicht lag es an seinem Tonfall.
    »Der Kommunismus würde überall herrschen«, fuhr Robert fort.
    Paul nickte. »Der Autor, ein gewisser Abendsen, befaßt sich auch mit diesem Punkt. Aber seiner Ansicht nach wäre es genauso wie im Ersten Weltkrieg. Die Russen standen damals auch auf der Seite der Sieger. Aber sie sind ja in erster Linie Bauern und zweitklassig. Sie machen sich lächerlich. Wenn ich an den Krieg denke, den Japan gegen sie geführt hat.«
    »Wir mußten leiden, die Rechnung bezahlen«, sagte Robert. »Aber wir haben es aus gutem Grund getan. Um eine Überschwemmung der Welt mit Sklaven zu verhindern.«
    Betty meinte mit leiser Stimme: »Ich persönlich halte nicht viel von diesem hysterischen Gerede von einer ›Überschwemmung der Welt‹ durch irgendein Volk. Ob es nun Slawen oder Chinesen oder Japaner sind.« Sie sah Robert ruhig an. Sie hatte völlige Kontrolle über sich, war keineswegs erregt, wollte aber ihre Gefühle ausdrücken. Tiefe rote Flecken waren auf ihren Wangen erschienen.
    Sie aßen eine Zeitlang, ohne zu reden.
    Jetzt habe ich es wieder geschafft, sagte sich Robert Childan. Es ist unmöglich, dem Thema auszuweichen. Weil es ein Thema ist, das allgegenwärtig ist, in einem Buch, das ich zufällig in die Hand nehme, im Tafelsilber – Beute, die die Eroberer aufgehäuft haben.
    So ist das eben. Ich mache mir vor, daß diese Japaner und ich etwas gemeinsam haben. Aber da sieht man es wieder: Selbst wenn ich herausplatze und sage, daß ich froh bin, daß sie den Krieg gewonnen haben, daß mein Land ihn verloren hat – dann gibt es immer noch keine gemeinsame Basis. Die denken einfach anders. Selbst dieses I Ching, das sie uns auf gezwungen haben.
    Es ist chinesisch. Das haben sie sich auch einmal angeeignet. Wem folgen sie eigentlich? Sich selbst? Sie nehmen links und rechts fremde Sitten auf, was man trägt, was man ißt, was man redet. Sie essen mit dem größten Vergnügen gebackene Kartoffeln mit saurem Rahm und Schnittlauch, ein altmodisches amerikanisches Gericht, das sie sich einfach angeeignet haben. Aber mich können sie nicht täuschen; mich schon überhaupt nicht. Nur die weißen Rassen besitzen den Funken des Schöpferischen, überlegte er. Und doch muß ich, ein Angehöriger dieser Rasse, vor diesen zwei hier Kotau machen. Man stelle sich vor, wie es gewesen wäre, wenn wir gesiegt hätten! Vernichtet hätten wir sie. Heute gäbe es kein Japan mehr. Und die USA wären die einzig überragende Macht in der ganzen weiten Welt.
    Er dachte: Ich muß dieses Heuschreckenbuch lesen. So, wie es klang, war es geradezu patriotische Pflicht.
    Betty sagte mit leiser Stimme

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