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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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es eben. Ich habe eine geradezu krankhafte Neigung dazu, das… nun sagen wir… das geringere von zwei Übeln auszuwählen. Wie eine Kuh, die die Tränke sieht; ich galoppiere einfach los, ohne nachzudenken.
    Ich habe mir einfach die Bewegungen angewöhnt, weil es sicherer ist so; schließlich sind sie die Sieger. Sie befehlen. Und ich werde auch wohl so weitermachen. Was soll ich mich unglücklich machen? Sie haben ein amerikanisches Buch gelesen und wollen, daß ich es ihnen erkläre; sie hoffen, daß ich, ein Weißer, ihnen die Antwort geben kann. Und ich versuche es! Aber in diesem Falle kann ich es nicht, obwohl ich es ohne Zweifel könnte, wenn ich es gelesen hätte.
    »Vielleicht sehe ich mir dieses Miss-Lonelyhearts-Buch eines Tages an«, sagte er zu Paul. »Dann kann ich Ihnen ja erklären, was es zu bedeuten hat.«
    Paul nickte leicht.
    »Im Augenblick freilich habe ich zu viel zu tun«, fuhr Robert fort. »Später vielleicht… Ich bin sicher, daß es mich nicht sehr viel Zeit kostet.«
    »Nein«, murmelte Paul. »Es ist ein sehr kurzes Buch.«
    Er und Betty wirkten plötzlich traurig, fand Robert Childan. Ob sie wohl auch die unüberbrückbare Kluft spürten, die es zwischen ihnen gab?
    Hoffentlich, dachte er. Sie verdienten es.
    Und von nun an bereitete ihm das Essen mehr Vergnügen.
    Es kam zu keinen weiteren Reibungspunkten. Als Robert Childan um zehn Uhr die Wohnung der Kasouras verließ, spürte er immer noch das gleiche Selbstvertrauen, das er während des Essens empfunden hatte. Er ging die Treppe des Apartmentgebäudes hinunter, ohne sich etwas dabei zu denken, wenn er gelegentlich einen der Japaner auf seinem Wege in ein Gemeinschaftsbad sah. Dann hinaus in die Nacht, auf den Bürgersteig, in ein Pedotaxi.
    Ich habe mich immer gefragt, wie es wohl wäre, zu gewissen Kunden privaten Kontakt zu haben. Eigentlich gar nicht so schlimm. Vielleicht hilft mir diese Erfahrung sogar in meinem Geschäft, dachte er.
    Es ist heilsam, die Leute näher kennenzulernen, die einem Angst eingeflößt haben. Festzustellen, wie sie wirklich sind. Dann verfliegt die Angst.
    In diese Gedanken versunken, erreichte er seine eigene Wohnung. Er bezahlte den Taxifahrer, einen Chinesen, und stieg die vertraute Treppe hinauf.
    In seinem Vorraum saß ein Mann, den er nicht kannte. Ein weißer Mann in einem Mantel saß auf der Couch und las die Zeitung. Als Robert Childan erstaunt unter der Tür stehen blieb, legte der Mann die Zeitung weg, erhob sich bedächtig und griff in die Brusttasche. Er holte ein Lederetui heraus und klappte es auf.
    »Kempetai.«
    Ein Pinoc . Ein Beamter aus Sacramento, von der Staatspolizei, die die japanischen Besatzungsbehörden eingerichtet hatten. Beängstigend!
    »Sind Sie R. Childan?«
    »Ja, Sir«, sagte er. Sein Herz schlug schneller.
    Der Polizist holte ein Bündel aus einer Mappe auf der Couch und meinte: »Sie hatten kürzlich den Besuch eines Mannes, der von sich behauptete, einen Offizier der Kaiserlichen Marine zu vertreten. Im Anschluß daran angestellte Untersuchungen ergaben, daß das nicht zutraf. Es gab keinen solchen Offizier und kein solches Schiff.« Er musterte Childan scharf.
    »Das ist richtig«, sagte Childan.
    »Es liegt uns ein Bericht vor«, fuhr der Beamte fort, »daß in der Umgebung der Bucht ein Verbrecherring tätig ist. Dieser Mann stand offenbar in Verbindung mit diesem Ring. Würden Sie ihn mir beschreiben?«
    »Klein, ziemlich dunkelhäutig«, fing Childan an.
    »Jude?«
    »Ja!« sagte Childan. »Jetzt wo ich darüber nachdenke. Damals ist es mir nicht aufgefallen.«
    »Hier ist ein Foto.« Der Mann von der Kempetai reichte es ihm.
    »Das ist er«, sagte Childan ohne den geringsten Zweifel. Die offenkundige Tüchtigkeit der Kempetai erschreckte ihn etwas. »Wie haben Sie ihn gefunden? Ich habe es nicht gemeldet, aber ich habe mit meinem Großhändler, Ray Calvin, gesprochen und habe ihm gesagt…«
    Der Polizist brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Ich habe hier ein Papier, das Sie unterschreiben müssen. Dann ist das erledigt. Sie brauchen nicht vor Gericht zu erscheinen; das ist eine reine Formalität, und Sie sind dann aus der Sache raus.« Er reichte Childan das Papier und einen Füllhalter. »Hier steht, daß der Mann sich Ihnen genähert und den Versuch unternommen hat, Sie zu beschwindeln und so weiter. Lesen Sie ruhig.« Der Polizist schob den Ärmel zurück und sah auf die Uhr. »Ist die Darstellung richtig?«
    Das war sie. Robert Childan

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