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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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dem sie eine ihrer schönsten Städte gebaut haben. Ich bin ein Fremder in meinem eigenen Land.
    Er ging durch den mit Teppichen belegten Korridor, erreichte die richtige Tür und klingelte. Kurz darauf öffnete sich die Tür. Da stand die junge Mrs. Kasoura in einem seidenen Kimono und einem Obi, das lange schwarze Haar bis zur Schulter fallend, und lächelte. Hinter ihr im Wohnzimmer ihr Mann, ein Glas in der Hand, nickend.
    »Mr. Childan. Treten Sie ein.«
    Er verbeugte sich und trat ein. Ungemein geschmackvoll und – so asketisch. Wenige Stücke. Eine Lampe hier, Tisch, Bücherschrank, Druck an der Wand. Das unglaubliche Gefühl der Japaner für Wabe . In Englisch konnte man es nicht einmal denken. Die Fähigkeit, in einfachen Gegenständen Schönheit zu finden. Es hatte mit ihrer Anordnung zu tun.
    »Ein Drink?« fragte Mr. Kasoura. »Scotch und Soda?«
    »Mr. Kasoura…«, begann er.
    »Paul«, sagte der junge Japaner. Und dann deutete er auf seine Frau. »Betty. Und Sie sind…«
    Mr. Childan murmelte: »Robert.«
    Mit ihren Drinks in der Hand auf dem weichen Teppich sitzend, hörten sie sich ein Band Kotomusik an, japanische dreizehnsaitige Harfe. Es handelte sich um eine neue Aufnahme, die ziemlich populär geworden war. Childan stellte fest, daß das Wiedergabegerät versteckt eingebaut war, selbst die Lautsprecher. Er konnte nicht sagen, von woher die Musik kam.
    »Da wir nicht wußten, was Sie gerne essen«, sagte Betty, »sind wir auf Nummer Sicher gegangen. Im Elektroofen in der Küche liegt ein T-Bone-Steak. Und dazu gebackene Kartoffeln mit Rahmsoße und Schnittlauch.«
    »Sehr schön«, murmelte Childan. »Ich mag Steak gerne.« Und das traf auch zu. Er hatte selten Steak. Die großen Viehhöfe im Mittelwesten schickten nicht mehr viel zur Westküste. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal ein gutes Steak gegessen hatte.
    Jetzt war die Zeit, sein Gastgeschenk zu überreichen.
    Er holte einen kleinen, in Seidenpapier gewickelten Gegenstand aus der Jackettasche und legte ihn diskret auf den niedrigen Tisch. Die beiden bemerkten es sofort, so daß er sagen mußte: »Eine Bagatelle für Sie. Als Ausdruck meiner Entspannung und Freude, hier sein zu dürfen.«
    Er wickelte den Gegenstand aus und zeigte ihnen das Geschenk. Ein Stück Elfenbein, wie es die Walfänger vor einem Jahrhundert geschnitzt hatten. Ein winziges Schmuckstück, man nannte es Scrimshaw. Ihre Gesichter leuchteten. Nichts hätte die alte Kultur der Vereinigten Staaten besser repräsentieren können.
    Schweigen.
    »Danke«, sagte Paul.
    Und Robert Childan verbeugte sich.
    Einen Augenblick herrschte Frieden in seinem Herzen. Dieses Geschenk hatte ihm Erleichterung verschafft. Etwas von der Angst und dem Druck, die in letzter Zeit auf ihm gelastet hatten, begannen sich zu lösen.
    Von Ray Calvin hatte er Ersatz für den Colt . 44 bekommen, verbunden mit einer geschraubten Versicherung, daß sich so etwas nicht wiederholen würde. Und doch hatte ihn das nicht beruhigt. Nur jetzt, in dieser dazu völlig beziehungslosen Situation, hatte er einen Augenblick lang das Gefühl verloren, daß die Dinge andauernd schiefliefen. Das Wabi, das ihn umgab, war eine Ausstrahlung von Harmonie… Das ist es, entschied er. Die Proportionen. Gleichgewicht. Sie sind dem Tao so nahe, diese zwei jungen Japaner. Deshalb habe ich gleich auf sie reagiert. Ich fühlte durch sie das Tao. Sah selbst einen Schimmer davon.
    Wie es wohl wäre, dachte er, wenn er das Tao wirklich kennte? Das Tao ist das, was zuerst das Licht und dann die Dunkelheit hereinläßt . Das die Wechselbeziehung der zwei Urkräfte auslöst, so daß es zu einer stetigen Erneuerung kommt. Das, was die Dinge zusammenhält, sie daran hindert, sich abzunutzen. Das Universum wird nie ausgelöst werden, denn genau dann, wenn es den Anschein hat, als hätte die Dunkelheit alles erstickt, es wahrhaft transzendent gemacht, genau dann wird in seinen Tiefen die neue Saat des Lichts wiedergeboren. Dies ist der Weg. Wenn die neue Saat fällt, fällt sie in die Erde, in den Boden. Und darunter, dem Betrachter unsichtbar, erwacht sie zum Leben.
    »Ein Hors d’Oeuvre «, sagte Betty und kniete neben ihm nieder, um ihm ein kleines Tablett zu reichen, auf dem Käsekräcker und anderes Kleingebäck lagen. Er nahm zwei Stück.
    »In letzter Zeit ist in der Welt einiges los«, sagte Paul und nippte an seinem Glas. »Als ich heute nach Hause fuhr, habe ich eine Direktübertragung von dem

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