Das Orakel vom Berge
fort, »habe ich diese selben Freunde wieder zu mir gerufen. Ich habe es auf mich genommen, so wie ich es Ihnen gegenüber gerade tat, ohne Rücksicht auf jeden Takt meine Meinung zu sagen. Dieses Stück hier trägt in sich eine so hohe Autorität, daß ich mich gezwungen sehe, auf gute Formen keine Rücksicht zu nehmen. Und ich verlangte von diesen Leuten, daß sie mir zuhörten.«
Childan wußte, daß es für einen Japaner wie Paul geradezu unglaublich war, seine Idee anderen Personen aufzuzwingen.
»Das Ergebnis war überraschend«, sagte Paul. »Sie vermochten sich meiner Ansicht anzuschließen; sie erkannten, was ich ihnen dargestellt hatte. Es war die Mühe also wert. Und dann ruhte ich. Jetzt bin ich erschöpft, Robert.« Er legte die Nadel in die Schachtel zurück. »Meine Verantwortung ist zu Ende.« Er schob Childan die Schachtel hin.
»Es gehört Ihnen«, sagte Childan; er hatte sich noch nie in einer solchen Lage befunden. Ein Japaner von hohem Rang lobte ein ihm überreichtes Geschenk in den Himmel und gab es dann zurück. Childan spürte, wie die Knie ihm den Dienst versagten. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte; er stand da, zupfte an seinem Ärmel, und sein Gesicht rötete sich.
Ruhig, ja beinahe hart, sagte Paul, »Robert, Sie müssen der Wirklichkeit mit mehr Mut ins Auge blicken.«
Und Childan stammelte: »Ich bin verwirrt, Sie…«
Paul stand auf, sah ihn an. »Hören Sie mir gut zu. Das ist jetzt Ihre Aufgabe. Sie sind der Vertreter für dieses Stück und andere seiner Art. Und Sie sind Fachmann. Ziehen Sie sich eine Weile in die Einsamkeit zurück. Meditieren Sie. Befragen Sie das Buch der Wandlungen . Und dann studieren Sie Ihre Schaufenster, Ihre Inserate, Ihr ganzes System des Verkaufens.«
Childan starrte ihn an.
»Und dann werden Sie Ihren Weg sehen«, erklärte Paul. »Werden wissen, wie Sie diese Gegenstände im großen Stil verkaufen können.«
Childan war wie benommen. Dieser Mann sagt mir, daß ich verpflichtet bin, die moralische Verantwortung für den Edfrank Schmuck zu übernehmen. Verrückte neurotische japanische Betrachtung der Welt: In den Augen von Paul Kasoura war nur eine spirituelle und geschäftliche Beziehung höchsten Ranges denkbar.
Und das Schlimmste war, daß Paul voll Überzeugung gesprochen hatte und tatsächlich die Meinung der japanischen Tradition vertrat.
Verpflichtung, dachte er bitter. Sie würde ihm den Rest seines Lebens anhaften, sobald er sie einmal eingegangen war. Bis zum Grabe. Paul hatte – jedenfalls zu seiner eigenen Zufriedenheit – seine eigene Verpflichtung weitergegeben. Aber die Childans; ah, die war bedauerlicherweise endlos.
Die haben den Verstand verloren, sagte Childan zu sich. Beispiel: Sie helfen einem Verletzten, der in den Rinnstein gefallen ist, nicht auf, weil das eine Verpflichtung mit sich bringt. Wie nennt man das? Ich würde sagen, das ist typisch; genau das, was man von einer Rasse erwartet, die aufgefordert ist, einen britischen Zerstörer nachzubauen, es fertigbrachte, die Flickstellen an den Kesseln zu kopieren und…«
Paul musterte ihn scharf. Zum Glück hatte Childan durch lange Übung gelernt, seine Gefühle automatisch zu unterdrücken. Paul sah also nur eine Maske.
Das ist schrecklich, dachte Childan. Eine Katastrophe. Besser hätte Paul noch gedacht, daß ich versucht hätte, seine Frau zu verführen.
Betty. Jetzt bestand keine Chance, daß sie das Stück sehen würde, daß sein ursprünglicher Plan gelang. Wu vertrug sich nicht mit Sexualität. Wu war, wie Paul gesagt hatte, etwas Würdiges, Heiliges, wie eine Reliquie.
»Ich habe jedem dieser Männer eine Ihrer Karten gegeben«, sagte Paul.
»Wie bitte?« fragte Childan geistesabwesend.
»Ihre Geschäftskarten. Damit sie zu Ihnen kommen und sich andere Beispiele ansehen können.«
»Aha«, sagte Childan.«
»Noch etwas«, sagte Paul. »Einer dieser Männer möchte sich in seinem Büro mit Ihnen über die ganze Angelegenheit unterhalten. Ich habe Ihnen hier Name und Adresse aufgeschrieben.« Paul reichte Childan ein Stück Papier. »Er möchte, daß seine Kollegen es auch hören«, fügte Paul dann hinzu. »Er ist Importeur. Er importiert und exportiert im großen Rahmen. Insbesondere nach Südamerika. Radios, Kameras, Ferngläser, Tonbandgeräte und dergleichen.«
Childan blickte auf das Papier.
»Er hat natürlich mit riesigen Mengen zu tun«, sagte Paul. »Vielleicht zehntausend von jedem Stück. Seine Firma kontrolliert verschiedene
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