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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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diesem Schluß gezwungen: Die Produkte amerikanischer Hände sind nichts anderes wert, als Modell primitiver Amulette zu werden.
    So herrschten die Japaner. Nicht grob, sondern feinsinnig, genial, raffiniert.
    Herrgott! Mit ihnen verglichen sind wir Barbaren, erkannte Childan.
    Er hat mich zerbrochen, hätte Childan beinahe laut gesagt. Mich und meine Rasse gedemütigt. Und ich bin hilflos. Wir können uns nicht wehren, nicht rächen.
    Das war der Beweis, daß die Japaner zum Herrschen geboren waren.
    Am liebsten hätte er laut aufgelacht, vielleicht sogar bewundernd. Ja, dachte er, so ist es, wenn man eine besonders gute Anekdote hört. Ich muß es mir merken, es auskosten, es später vielleicht sogar erzählen. Aber wem? Das war ein Problem. Eigentlich war es viel zu persönlich, als daß er es weitergeben könnte.
    In der Ecke von Pauls Büro stand ein Papierkorb. Hinein damit! sagte Robert Childan zu sich. Hinein mit diesem Klumpen, diesem Stück Schmuck und seinem ganzen Wu . Ob ich es tun könnte? Es wegwerfen? Die ganze Situation vor Pauls Augen umkehren? Ich kann es nicht einmal wegwerfen, erkannte er, als er das Stück umfaßte. Ich darf es nicht.
    Der Teufel sollte sie holen. Ich kann mich nicht von ihrem Einfluß freimachen, kann nicht meinem Impuls nachgeben. Alles Spontane in mir ist zerdrückt… Paul musterte ihn, er brauchte nichts zu sagen, seine Anwesenheit allein genügte. Er hat mein Gewissen in eine Falle gelockt, hält mich jetzt an einem Faden.
    Wahrscheinlich habe ich hier schon zu lange gelebt. Zu spät, zu fliehen, zu den Weißen und dem Leben der Weißen zurückzukehren.
    »Paul«, sagte Robert Childan. Seine Stimme klang gequält, unmoduliert.
    »Ja, Robert.«
    »Paul, ich… bin… gedemütigt.«
    Der Raum drehte sich um ihn. »Warum denn, Robert?« Besorgnis, aber irgendwie fern. Unpersönlich.
    »Paul. Einen Augenblick.« Er griff nach dem Schmuckstück, das jetzt vom Schweiß feucht war. »Ich – bin stolz auf diese Arbeit. Primitive Amulette kommen nicht in Frage. Ich lehne ab.«
    Wieder konnte er die Reaktion des jungen Japaners nicht erkennen, nur seine Aufmerksamkeit beim Zuhören.
    »Trotzdem, vielen Dank«, sagte Robert Childan.
    Paul verbeugte sich.
    Robert Childan verbeugte sich. »Die Männer, die das geschafft haben«, sagte Childan, »sind stolze Amerikaner, Künstler. Ich auch. Es ist deshalb eine Beleidigung für uns, zu raten, billige Amulette daraus zu machen. Und ich verlange eine Entschuldigung.«
    Unglaublich langes Schweigen. Paul sah ihn an. Er hob eine Braue, und seine schmalen Lippen zuckten. Ein Lächeln?
    »Ich verlange es«, sagte Childan. Das war es; weiter konnte er nicht gehen. Jetzt wartete er nur. Nichts geschah.
    Bitte, dachte er. Hilf mir. Und Paul sagte: »Verzeihen Sie mir meine arrogante Zumutung.« Er streckte ihm die Hand hin.
    »Schon gut«, sagte Robert Childan.
    Sie schüttelten sich die Hand.
    Und Ruhe zog in Childans Herz ein. Ich habe es überstanden, das wußte er. Alles vorbei. Ob ich es ein zweites Mal wagen würde? Er empfand Melancholie.
    Das Leben ist kurz, dachte er. Die Kunst oder irgend etwas anderes, jedenfalls nicht das Leben ist lang, dehnt sich endlos. Hier stehe ich. Er nahm das kleine Etui, schob es ein.

12
     
     
    Mr. Ramsey sagte: »Mr. Tagomi, das ist Mr. Yatabe.« Er zog sich in eine Ecke des Büros zurück, und der schlanke ältere Herr trat vor.
    Mr. Tagomi streckte ihm die Hand hin und sagte: »Freut mich sehr, Sie persönlich kennenzulernen, Sir.« Die leichte, zerbrechliche alte Hand glitt in die seine; er schüttelte sie, ohne zu drücken, und ließ sie gleich wieder los. Hoffentlich nichts gebrochen, dachte er. Er musterte die Züge des alten Herrn und war zufrieden. Ein strenger, geschulter Geist, dachte er. Eine Verkörperung all der stabilen alten Traditionen… und dann entdeckte er, daß er General Tedeki, dem ehemaligen kaiserlichen Stabschef, gegenüberstand.
    Mr. Tagomi verbeugte sich tief. »General«, sagte er.
    »Wo ist der dritte Teilnehmer unseres Gesprächs?« fragte General Tedeki.
    »Er wird sofort eintreffen«, sagte Mr. Tagomi. »Ich habe ihn selbst in seinem Hotelzimmer informiert.« Völlig verwirrt zog er sich einige Schritte gebeugt zurück, kaum fähig, sich wieder aufzurichten.
    Der General setzte sich. Mr. Ramsey, dem der alte Herr zweifellos unbekannt war, half ihm in den Stuhl, zeigte aber keine besondere Ehrerbietung. Mr. Tagomi nahm sich zögernd einen Stuhl auf der anderen Seite des

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