Das Orakel vom Berge
mittleren Jahren auf ihn zu.
»Mr. Frink? Frank Frink?«
»Der bin ich«, nickte Frank.
Der Mann brachte ein zusammengefaltetes Dokument und einen Ausweis zum Vorschein. »Ich gehöre zur Polizei von San Francisco. Ich habe hier einen Haftbefehl.« Er hielt Frank bereits am Arm.
»Wofür denn?« wollte Frank wissen.
»Betrug. Mr. Childan. American Artistic Handcrafts.« Der Cop führte Frink weg, und jetzt trat ein zweiter Beamter in Zivil hinzu.
Sie nahmen Frink in die Mitte und drängten ihn zu einem abgestellten Toyopet mit zivilem Kennzeichen.
Das ist es, was die Zeit von uns verlangt, dachte Frank, als die beiden Cops ihn im Wagen in die Mitte nahmen. Die Tür knallte zu, der Wagen, von einem dritten Polizisten, dieser in Uniform, gesteuert, schoß in den Verkehrsstrom hinaus.
»Haben Sie einen Anwalt?« fragte einer der Cops.
»Nein«, erklärte er.
»Auf dem Revier bekommen Sie eine Liste vorgelegt.«
»Danke«, sagte Frank.
»Was haben Sie mit dem Geld gemacht?« fragte einer der Polizisten später, als sie in der Garage des Polizeireviers Kearneystreet parkten.
»Ausgegeben«, sagte Frank.
»Alles?«
Er gab keine Antwort.
Einer der Polizisten schüttelte den Kopf und lachte.
Als sie aus dem Wagen stiegen, fragte einer: »Ist Ihr richtiger Name Fink?«
Frink zuckte zusammen.
»Fink«, wiederholte der Cop. »Fink, Sie sind Jude.« Er holte einen großen grauen Umschlag heraus. »Ein Flüchtling aus Europa.«
»Ich bin in New York geboren«, sagte Frank Frink.
»Sie sind vor den Nazis geflüchtet«, sagte der Cop. »Wissen Sie, was das bedeutet?«
Frank Frink riß sich los und rannte davon. Die drei Cops schrien ihm nach, und als er die Tür erreicht hatte, sah er, daß ein Polizeiwagen mit uniformierten Beamten ihm den Weg versperrte. Die Polizisten lächelten, und einer, er hielt eine Waffe in der Hand, trat auf ihn zu und klappte ihm Handschellen über das linke Gelenk.
Dann zerrte er ihn am Handgelenk wieder zurück.
»Zurück nach Deutschland«, sagte einer der Cops und musterte ihn.
»Ich bin Amerikaner«, sagte Frank Frink.
»Ein Jude bist du«, sagte der Cop.
Und als man ihn hinaufbrachte, sagte einer der Polizisten: »Wird man ihn hier einbuchten?«
»Nee«, meinte der andere. »Wir halten ihn hier für den deutschen Konsul fest. Die wollen ihn nach deutschem Gesetz aburteilen.«
Es gab doch keine Liste mit Anwälten.
Seit zwanzig Minuten saß Mr. Tagomi jetzt reglos an seinem Schreibtisch, den Revolver auf die Tür gerichtet, während Mr. Baynes im Büro auf und ab ging. Der alte General hatte nach einiger Überlegung zum Telefon gegriffen und die japanische Botschaft in San Francisco angerufen. Es war ihm aber nicht gelungen, Baron Kaelemakoule zu erreichen; der Gesandte, so sagte ihm ein Büroangestellter, sei verreist.
Jetzt war General Tedeki im Begriff, ein Transpazifikgespräch nach Tokio anzumelden.
»Ich werde mit der Kriegsakademie sprechen«, erklärte er Mr. Baynes. »Von dort aus wird man dann mit kaiserlichen Truppen in Verbindung treten, die in unserer Nähe stationiert sind.« Er wirkte in keiner Weise erregt.
»Dann werden wir also in ein paar Stunden befreit«, sagte Mr. Tagomi zu sich. Wahrscheinlich durch japanische Marineinfanterie von einem Flugzeugträger, bewaffnet mit Maschinengewehren und Granatwerfern.
Wenn man die offiziellen Kanäle benützt, so führt das meist zu einem höchst wirksamen Endergebnis. Aber die Verzögerung ist groß. Und unter uns prügelt ein Schlägertrupp im schwarzen Hemd auf Sekretärinnen und Büroangestellte ein.
Aber es gab nicht viel, was er persönlich tun konnte.
»Ob es wohl Sinn hat, mit dem deutschen Konsul in Verbindung zu treten?« sagte Mr. Baynes. Mr. Tagomi malte sich aus, wie er Miss Ephreikian mit ihrem Tonbandgerät hereinrief, um einen dringenden Protest an Herrn H. Reiss zu diktieren.
»Ich kann Herrn Reiss anrufen«, sagte Mr. Tagomi. »Auf einer anderen Leitung.«
»Bitte«, sagte Mr. Baynes.
Immer noch den Colt . 44 in der Hand drückte Mr. Tagomi einen Knopf auf seinem Schreibtisch. Und ein Sondertelefon – selbstverständlich mit Geheimnummer – schob sich aus einer Schublade.
Er wählte die Nummer des deutschen Konsulats.
»Guten Tag. Wer spricht?«
Eine männliche Funktionärsstimme mit Akzent. Zweifellos irgendein Subalterner.
»Seine Exzellenz Herrn Reiss bitte«, sagte Mr. Tagomi. »Dringend. Hier spricht Mr. Tagomi, Leiter der Kaiserlichen Handelsmission.« Seine Stimme klang
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