Das Orakel von Antara
die Arme, dann befestigte er den Umhang der Uniform auf seiner linken Schulter und wandte sich ab. Schorangar und Tamin begleiteten ihn zum Ausgang.
„Ich vertraue dir Vanea an, Schorangar“, sagte er, als er dem alten Kämpen die Hand reichte. „Wenn ich nicht zurückkehre, bringe sie zu Nith. Er wird dafür sorgen, dass sie den Platz erhält, der ihr zusteht. Ansonsten bleibt alles so, wie besprochen. Wenn du die Nachricht erhältst, dass das Heer im Anmarsch ist, stürmt die Tore der Stadt und öffnet sie für die Herannahenden. Wenn Blooria sich verschanzt, habt ihr keine Möglichkeit mehr, denn dann wird der König Zeit gewinnen, Truppen aus allen Teilen des Landes heranzuziehen. Die Stadt muss im Handstreich fallen, sonst geratet ihr zwischen die Mühlsteine. Ich werde versuchen zurück zu sein, wenn der Mond aufgeht. Achte auf Vanea! Sie wird wissen, wenn mir etwas zustößt. Werde ich gefangen oder getötet, übernimmst du die Führung der Antaren, bis Nith etwas anderes bestimmt. Führe sie zum Sieg und die Freiheit, Schorangar! Dafür hast du gelebt.
Solltest du erfahren, dass man mich ergriffen hat, lass’ dich auf keinen Handel mit den Moradonen ein, um etwa mein Leben zu retten. Ihr könnt versuchen, mich zu befreien, wie ich es jetzt für Reven tue, aber niemals dürft ihr euch einen Vorteil abkaufen lassen, gleich um welchen Preis. Versprichst du mir das?“
„Geh‘ unbesorgt, Yorn!“ antwortete Schorangar und drückte ihm fest die Hand. „Nichts wird mich von unserem Ziel abringen. Die Zeit der Sklaverei muss endlich für alle Ewigkeit vorbei sein. Viel Glück, Sohn des Waskor! Möge Saadh dich geleiten!“
Yorn schlich sich in der Deckung der Büsche, die dicht bis an die Palastmauer heranwuchsen, zur Straße. Er blieb im Verborgenen und beobachtete, was dort vor sich ging. Trupps von Soldaten zogen durch das Tor aus und ein, eine Gruppe gefangener Sklaven wurde ins Schloss getrieben. Kurierreiter fegten die Straße entlang, Wagen mit vornehmen Moradonenfamilien strebten der Sicherheit der Schlossmauern zu. Der Zugang zum Schloss glich einer Ameisenstraße, die durch irgendeinen Grund in Aufruhr versetzt worden war. Da Yorn nicht weit vom Tor entfernt stand, bemerkte er, dass streng kontrolliert wurde. Jeder Anführer der Soldatentrupps schien die Parole zu geben, erst dann durften sie passieren. Wie sollte er da nur hineinkommen? Eine geraume Zeit wartete Yorn, ohne dass er eine passende Gelegenheit entdeckt hätte. Doch da kam ihm der Zufall zur Hilfe.
Ein Trupp berittener Soldaten kam die Straße herauf. Yorn sah, dass sich unter ihnen mehrere vom gleichen Rang befanden, den auch seine Uniform aufwies. Als die Reiter einen der offenen Wagen passierten, begann ein Säugling darin durchdringend zu brüllen. Eines der Soldatenpferde scheute bei dem ungewohnten Geräusch, stieg hoch und ging dann mit seinem Reiter durch.
Dicht neben Yorn brach das Tier durch die Büsche und warf seinen Re iter ab. Benommen lag der Mann am Boden, während das Pferd zitternd und tänzelnd neben ihm hielt. Yorn hörte, wie die Kameraden des Abgeworfenen lachten. Der Anführer aber war wütend. „Wir haben keine Zeit, auf dich zu warten“, brüllte er ins Gebüsch. „Sieh zu, dass du dein Pferd meisterst, und dann komm nach. Ich sage am Tor Bescheid. Aber nach dem Dienst meldest du dich bei mir!“
Yorn durchzuckte es wie ein Blitz. Das war seine Chance! Mit einigen Sätzen drang er durch das Gezweig zu dem Soldaten durch, der sich gerade fluchend wieder aufrappelte. Yorns Schwert schoß vor, und ehe der Mann wusste, wie ihm geschah, verröchelte er bereits sein Leben.
Rasch betrachtete Yorn den Toten. Ja, das war nicht schlecht! Der gleiche Rang und he lles Haar. Das war die Hauptsache. Er brach einen dornigen Zweig ab und fuhr sich damit hart über Gesicht, Arme und Beine. Blutige Kratzer zierten nun seinen Körper genau wie den des Toten. Die Wachen am Tor mussten den Zwischenfall gesehen haben. Niemand würde nun zweifeln, dass er der Gestürzte war, zumal der Anführer seine Ankunft ja signalisiert hatte. Schnell griff Yorn das stampfende Pferd am Zügel und ging zur Straße. Dort stieg er eilig in den Sattel und galoppierte auf das Tor zu, als wolle er die verlorene Zeit wieder einholen. Die Torwächter grinsten breit, als er grüßend zwischen ihnen durchsprengte.
„Viel Spaß heute Abend, du Reitkünstler!“ rief ihm der eine noch nach. „Dein Hauptmann wird dich wohl
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