Das Orakel von Antara
nicht, denn der Kamp flärm musste die Moradonen aufgestört haben, die wohl inzwischen seine Flucht entdeckt haben würden. Sie würden ihm keine zweite Chance mehr geben, sondern ihn sofort töten. Und vorwärts? Yorn lachte bitter. Zehn kräftige Männer mit einer Ramme würde er brauchen! Ob die Moradonen wohl so freundliche wären, ihm behilflich zu sein, wenn er sie nett darum bäte?
„Die Männer mit der Ramme müssen jeden Augenblick da sein“ , meldete sich da plötzlich Vanea wieder. „Als du den Plan fasstest, über das Seil zu fliehen, vermutete ich, dass man das Tor wieder geschlossen haben würde - nicht etwa, weil man fürchtete, dass noch einmal jemand eindrang, sondern um die Sklaven des Schlosses an der Flucht zu hindern. Schorangar ist mit zwanzig Männern auf dem Weg zu dir. Hör nur! Da sind sie schon!“
Tatsächlich dröhnten in diesem Augenblick gewaltige Stöße gegen die andere Seite der Tür, welche die eingestemmten Balken erzittern ließen.
„Vanea, wie kann ich dir das alles nur je vergelten?“ jubelte Yorn.
„Indem du dich nicht noch im letzten Moment töten läßt!“ kam Vaneas bange Antwort. „Meinst du nicht, dass die Moradonen eher da sein werden, als der Weg frei sein wird? Die Gefahr ist noch nicht gebannt, und du bist verwundet. Ich habe Angst um dich, Yorn!“
„Noch sind sie nicht da“, sagte Yorn grimmig. „Und wenn sie kommen, werden sie erleben müssen, dass ein Antare mit nur einem Arm so viel wert ist wie fünf Moradonen. Nicht umsonst sollen mich die besten Kämpfer der Niveder ihre Kunst gelehrt haben! Ich denke nicht daran, mich einen Schritt von der Freiheit entfernt umbringen zu lassen! Der Gang ist so eng, dass nur immer zwei auf einmal gegen mich antreten können. Ich werde sie von mir fernzuhalten wissen, bis die Barriere fällt.“
„Möge Saadh es geben!“ betete Vanea. „Oh Yorn, sie kommen !“ schrie sie dann entsetzt.
Am Ende des engen Stollens waren die Soldaten aufgetaucht. Als sie Yorn gewahrten, stutzten sie einen Augenblick. Dann drängten sie vor, denn auch sie hörten die dumpfen Schläge von der anderen Seite des Tors und wussten sofort, was da im Gange war.
Doch Yorn wehrte sich aus Leibeskräften, obwohl der gefühllose Arm ihn behinderte. Es gelang ihm dennoch, einen seiner Ge gner zu töten und einen zweiten schwer zu verwunden. Die Moradonen behinderten sich gegenseitig in der Enge, und der Tote lag ihnen im Weg. Bis sie ihn nach hinten gezogen hatten und erneut auf Yorn eindringen konnten, barst die Tür unter den gewaltigen Anstrengungen der Antaren. Yorn konnte sich noch im letzten Augenblick flach an die Wand drücken, als einer der Balken mit Donnergetöse an ihm vorbei zu Boden stürzte.
So schnell er konnte sprang Yorn über die Trümmer der Tür. Als die Moradonen sahen, dass dort ein Trupp bis an die Zähne bewaffneter Antaren auf sie wartete, gaben sie auf. Sie wussten genau, dass die Gegner sie in dem viel breiteren Stück jenseits der Tür in Ruhe hätten erwarten und einzeln niedermachen können. So rückten sie ab.
Lauter Jubel klang auf, als Yorn völlig erschöpft in die Arme seiner Retter taumelte. Wä hrend Schorangar ihn stumm an die Brust zog, flutete eine solche Welle von unbändiger Freude und Liebe aus Vaneas Bewusstsein in Yorn über, dass er vor Glück berauscht war wie von schwerem Wein. Doch Schorangar bremste den Jubel seiner Leute. Er drückte den vor Ermüdung und in Folge der Verwundung schwankenden Yorn in die Arme zweier Antaren.
„Stützt ihn!“ befahl er. „Und dann nichts wie weg hier! Die Moradonen werden uns verfolgen, sobald sie merken, dass wir unseren strategisch günstigen Standort aufgegeben haben.“
Eilig zogen sich die Antaren mit Yorn zurück, und schon eine halbe Stunde später konnte ihn Vanea stumm vor Glück und Erleichterung in die Arme schließen.
Fünfzehntes Kapitel
Yorn hatte Schorangar schon auf dem Rückweg über den Tod des Königs berichtet. Nachdem nun seine Wunde versorgt war und er sich wieder besser fühlte, schilderte er den Anwesenden seine Erlebnisse genauer. Vanea hatte ihnen immer nur kurze Nachrichten geben können, da sie den Kontakt mit Yorn nicht für längere Zeit hatte verlieren wollen.
Dann informierte Schorangar Yorn über die Geschehnisse während seiner Abwesenheit. Überall in der Stadt kam es seit Stunden zu Gewalttaten an Antaren. Große Truppenverbä nde marschierten durch die
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